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Dienstag, September 18, 2007
Liebesbewerber
Es sollte der Abend der Abende werden. Alles musste stimmen: das Dekor, das Licht, die Musik, das Essen. Mit jeder Geste wollte ich ihr zeigen, mit jedem Laut wollte ich sagen, wie viel mir an ihr lag. Natürlich indirekt, dezent.
Das Wohnzimmer war mit Brokat und Seide dekoriert, eigentlich schon fast zu bunt. Aber bei Lampionlicht kamen die Muster und das Glänzen der Stoffe sehr schön zur Geltung und die überall aufgestellten Figurinen warfen dekorative Schatten an die Wände, die ich mit gerahmten Tuschezeichnungen geschmückt hatte. Die Möbel waren so gestellt, dass sich ein harmonischer Gesamteindruck ergab.
Räucherstäbchen verströmten einen verhaltenen Jasminduft, ich selber war gewaschen, rasiert und der Gelegenheit entsprechend aufwendig gekleidet.
Pünktlich um acht Uhr schellte es. Mich selber zu heiterer Gelassenheit ermahnend, doch innerlich aufgewühlt und nervös, drückte ich auf den Türöffner. Dann, endlich, stand sie vor mir. Sie lächelte dieses leicht ironische Lächeln, das mich immer ein wenig verlegen machte. Gekleidet war sie elegant und doch leger, ein leichter Lidschatten betonte das grün ihrer Augen. Ach, ihre Augen, wie oft schon hatte ich von ihnen geträumt! Ich half ihr aus dem Jacket und kam dabei nahe genug, ihren Duft wahrzunehmen, der mich auf eine neue Ebene von emotionaler Verwirrung hob. Entspanntheit vortäuschend, bot ich ihr einen Aperitif an. Ach, der Anblick des zierlichen Gefäßes in ihren schlanken Fingern!
Sich an den gedeckten Tisch setzend, bat sie mich, die Musik etwas leiser zu machen. Ich hatte die Platte in einem Fachgeschäft erworben, wo man mir versichert hatte, sie sei die beste auf dem Markt. Ein wenig enttäuscht, anscheinend nicht ihren Geschmack getroffen zu haben, kam ich ihrem Wunsch nach.
Das Essen verlief harmonisch, es gab Schlangenbrühe, geschmorte Seegurken, Bärentatze, gedämpfte Karauschen und Nummer einhundertvier. Wir plauderten über dies und das, sie gab einige Anekdoten aus ihrem Studium zum Besten und ich bewunderte wie immer ihre Klugheit und Belesenheit. Besonders imponierte mir ihre weise Voraussicht bei der Wahl ihres Faches. Mit solcher Ausbildung würde sie es weit bringen in dieser Welt.
Nach dem essen, beim Tee, bequem auf dem Sofa sitzend, überreichte ich ihr mein Geschenk.
Etwas erstaunt blickend, öffnete sie vorsichtig die dekorative Verpackung, nahm das einzelne Blatt, das sich darin befand, in die Hand und begann zu lesen.
Ihre Nüstern weiteten sich vor Empörung, ihre Augen (Ach! Ihre Augen!) blitzten vor Zorn und mit rot anlaufendem Gesicht erhob sie sich, gab mir eine schallende Ohrfeige, nahm ihre Jacke und schlug die Tür so heftig hinter sich zu, dass die meisten Kerzen ausgingen.
Am Boden zerschmettert, hilflos der Verzweiflung ausgeliefert und zutiefst betroffen, versuchte ich die nächsten Tage, sie zu erreichen. Keine meiner e-Mails wurde beantwortet, sie ging nicht ans Telefon, Briefe kamen ungeöffnet zurück.
In meiner Hilflosigkeit wandte ich mich an ihren Professor, um mir den Text übersetzen zu lassen, den ich selber nicht lesen konnte. Ich hatte ihn im Internet gekauft, im Glauben, ein romantisches, leicht frivoles, aber humorvolles Liebesgedicht zu erstehen. Die Seite
lilics4u.cn hatte auf mich einen seriösen Eindruck gemacht, das Gedicht war auch nicht billig gewesen und sollte, so hatte man mir versichert, auf jede Frau einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Das jedenfalls konnte ich mir vorstellen, als mir der Professor, mit leicht erheitertem Unterton, die Übersetzung vorlas:
"Du weisse Teufelin mit extra langer Nase,
dein Konterfei schmückt Klopapier.
Und Zähne hast du wie ein Osterhase.
Im Leben wirst du nix, so glaube mir".
Ich war auf eine billige chinesische Gedichtsfälschung hereingefallen.
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