Arya
Der alternde Lord betrachtete die sechs Masken über dem offenen Kamin, eine Pfeife in der linken, ein Glas Whiskey in der rechten Hand.
"Sicher bin ich der einzige auf dieser Welt", dachte er bei sich, "der eine vollständige Sammlung der Lächeln der Arya Gionni besitzt".
Draußen kroch Nebel über den herbstlichen Rasen. Drinnen, im warm nach Tabak und Männlichkeit duftenden Herrenzimmer, herrschte eine andere Jahreszeit, ein immerwährender Sommer.
"Omnia in plena floris": Wahlspruch seiner Familie, dem er sich seit frühester Kindheit verpflichtet fühlte.
Glich auch die Ehe mit Lady Angela seit Beginn einer Wüstenei aus unerträglichen und völlig unerträglichen Abschnitten, war sein Inneres ein besonnter Park, warme Hügel, feuchte Gefilde, heiteres Moos auf kühler Haut.
Dort, tief in sich, hatte er sie alle getroffen, dort hatte er sie alle gehabt.
Die Überhebliche. Sie fand ihr Herz. Dann stahl er es.
Die Temperamentvolle. Es war nicht einfach gewesen,ihre Flügel zu stutzen.
Die Liebliche. Er führte sie ihren Dämonen zu.
Die Sinnliche. Wie ließ er sie an Logik leiden!
Die Unschuldige. Sie brach zusammen im Zeugenstand.
Die Starke. Ihren Willen zu brechen ein Genuß.
Allmählich brannte das Kaminfeuer nieder, das Bild über dem Kamin verblassend.
Sorgsam versammelte der alternde Lord seine Siege und Niederlagen, löschte die Feuer und legte sich neben seine Lady, das Grauen des nächsten morgens erwartend.
Tief unten schlummerten die sechs Lächeln der Arya Gionni,
das Einzige zwischen ihm und dem Abgrund.
Wie würde er sich entscheiden?
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