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Donnerstag, Juni 02, 2005
Lachmacher (Vom Gröraz zum Grönaz)
Manchmal denke ich daran, ein Heim für zu Tode gerittene Witze zu eröffnen. Arme, geschundene Kreaturen, die von ihren Eigentümern immer wieder auf die Lachbahn getrieben werden, bis sie zuletzt erschöpft zusammenbrechen - unter ihren Jockeys verröcheln. Man sollte sich der armen Scherze annehmen, sie vor der Welt in Sicherheit bringen, ihnen die letzten Tage so angenehm wie möglich machen, daß sie nie wieder das selbstverliebte Lachen ihrer Herrchen vernehmen müssen. Denn die sind immer noch stolz darauf, vor 30 Jahren einen Jungwitz auf die Weide geführt zu haben. Überall sieht man diese Lachmacher, die sich selber am Festesten auf ihre feist gewordenen Schenkel klopfen. Überzeugt davon, nicht so zu sein wie "Die", da sie schließlich ihren eigenen Witz gezeugt haben. Leider haben sie vergessen, ihn freizulassen, als er langsam erwachsen wurde. Und so werden sie gemeinsam grau und kalt. In dem Maße, in dem die Mähre ausdünnt, gewinnt der Reiter an Voluminosität, die er zu kompensieren weiß, indem er andere auf die Mängel hinweist, die ihm selber innewohnen. So werden Eigenarten wie Körperbehaarung schon mal zu einer Fähigkeit, über die er nach Belieben verfügt. Sein Alter ist alleine sein Verdienst. Überhaupt ist sein Körper ein Meisterstück, ER ist im Besitz des Schlüssels zum Jungbrunnen: was andere für Fett halten, sind IHM Muskeln. Von Zeit zu Zeit öffnet er die Tür ein wenig, läßt Blitze strömen und erwartet die ihm gebührende Bewunderung für die Teilhabe an seinen Weisheiten. So könnte er, um nur ein Beispiel zu nennen, sich vom größten Raucher aller Zeiten zum größten Nichtraucher aller Zeiten transformieren: Sein Wille Genügt. Wer es ihm nicht gleichzutun vermag, sei es, weil er nicht will, sei es, weil er nicht kann, ist wahlweise Schwächling oder ein Verräter. Natürlich ist der Widerspruch der größte Feind der Wahrheit und deswegen bevorzugtes Opfer des in Floskeln gegossenen, durch seine Weisheit transzendierten Unleids des Lachmachers.
Statt seines eigenen sollen sich die Leben der anderen ändern. Jener anderen, die ihn durch Ahnungslosigkeit, Unvermögen, Widerspenstigkeit und Fehler beständig an der vollen Entfaltung seiner Möglichkeiten hindern. All die schlechten Autofahrer, die ihn ausbremsen, unfähigen Dienstleister, die nicht auf seine berechtigten Erwartungen eingehen, die überfüllten Züge, seinen Zwecken unzuträgliches Wetter, Gerüche anderer: dies und mehr verschwört sich aktiv gegen ihn, um ihm, zu seinem völligen Unverständnis, das Leben schwer zu machen. Doch zum Glück gibt es dem Lachmacher dienstbare Geister, die er gerne zur Hilfe ruft im Kampf gegen die Zumutungen der Welt. Komm, Kumpel Vorurteil, Freund Häme, Hein Zyn, gewaltig aufgetakelte Fregatte Ironie, Sprachlosmachende blanke Unverschämtheit, verwesender Witz: gemeinsam sind wir arg. Wir werden es schaffen, die Schulden, die das Leben an uns hat, einzutreiben. Mit Zins und Söhne, ohne Rücksicht auf die Verluste anderer, bei denen es sich logischerweise um niedere Lebensformen handeln muß, da sie nicht über die einzige Erkenntnis verfügen. Laßt uns die anderen zu dem Affen machen, der wir selber geworden sind.
So sehen wir ihn schließlich, als Schattenriß gegen eine rot untergehende Sonne, auf dem Weg in die Utopie: "Hey, hey, ich bin der lachende Reiter, der einzig kluge der Stadt. Ich bin als ihr schon viel weiter und euch mach ich platt."
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