Mittwoch, Juli 29, 2009

deutlicher weg



jedes wort aus dem kopf geschlagen
auf hände unter füße sinken
in wesenlosigkeit begraben
von fliegenden steinen verhüllt
sprechen streifen eine andere sprache
auf den rücken
gebeugt

Zurück zur Natur



Paradiese gibt es inzwischen in Fülle, Kinder-, Spar-, Bekleidungs- und Gemüseparadiese, jedoch gibt es nur ein Fahrradparadies und das ist der Niederrhein. Eine flache, touristisch wertvoll ausgebaute Gegend, in der man das nächste Ziel schon immer erkennt am Kirchturm, der aufragt gegen den wechselweise weißwolkig betupften oder rein blauen Horizont.
Uns begeisterten Radlern war das Ziel schnell klar, der liebsten Freundin und mir: Brüggen, ein feines Städtchen inmitten zunehmend unberührter Renaturierungsbemühungen. Ein ehemaliges Munitionslager der britischen Armee befindet sich dort, seit mehreren Jahren sich selbst und erholungssuchenden Freunden unverfälschter Ursprünglichkeit überlassen.
Wir befuhren die hervorragend ausgebauten Wege, atmeten die authentischen Düfte, folgten den Spuren des scheuen Wilds und dachten uns Geschichten aus. Dort, auf diesem Hügel, krochen getarnte Soldaten gegen den Feind, der mit üblen Mitteln ankämpfte gegen die Übermacht. Munitionsgürtel rotten in Schützengräben, Granaten splittern in Unterstände aber lassen wir das.
In Wahrheit war alles friedlich, kein Mensch zu sehen, nur wir und die Wildschweine am Waldrand. Wildschweine, Moment mal, Frischlinge und keine Keiler in Sicht, das heißt absitzen zum Photo machen. Wir schlichen uns also mit gezückter Kamera heran, verzückt von der Aussicht. Niedliche Schweinchen mit Streifen und Geruch, wo kriegt man sowas schon zu sehen?
Das nächste, das wir zu sehen bekamen, war eine eilig heranrückende Horde erwachsener Keiler mit wütend zugekniffenen Augen. Glücklicherweise befand sich eine bekletterbare Kiefer in erreichbarer Nähe, so dass wir dachten, der Ereignisse in Ruhe harren zu können.
Der Juli ist einer der Monate im Jahr mit den ergiebigsten Regenfällen. Bis dato hatte dieser Juli nichts davon gewusst, nun aber hatte er wohl nachgelesen. Es begann mit einem leichten Tröpfeln, steigerte sich über schweres Nieseln zu prasselndem Sturzregen und schwang sich auf zu ausdauerndem Gewitter. Wir sassen in den Zweigen, komplett durchnässt und hatten kein Netz auf den Handies. Inzwischen machte sich die Schweinerotte über unsere Fahrräder her und versuchte, die Satteltaschen zu öffnen, was ihr auch gelang unter Zuhilfenahme sämtlicher Zähne. Selbst durch das Wüten des Sturms hörten wir das Entweichen der Luft aus den zerstörten Schläuchen.
Langsam gerieten wir in Panik, als plötzlich einer der zahllosen Blitze den Nachbarbaum sprengte und in Brand setzte. Das feige Schweinsvolk verteilte sich schlagartig, wir kletterten den Baum hinab, schulterten unsere zerstörten Räder und machten uns auf den anstrengenden Weg zurück durch Schlamm und Regen. Ich verlor meine Funktionsschuhe und lief barfuß weiter.
Stunden später erreichten wir das Camp. Wegen des Gewitters war der Strom ausgefallen, das Wasser drang von allen Seiten in die Unterkunft, die Temperatur war dramatisch gefallen. Wir wickelten uns umeinander in die wenigen Decken und sprachen vom nächsten Urlaub. Centerpark, Großstadt, Massentourismus, egal.

Hellas



Epigonos war bekannt
auf Gyros und Souvlaki.
(Das sind zwei kleine Inseln die,
man weiß es heute nicht mehr wie,
einst über Nacht verschwanden.)

Es war der Rest von Griechenland
nicht, als er neu das Rad erfand,
sehr amüsiert. "Ihr lernt es nie!",
sprach Epi, Weltverbesserer.
"Mein Rad gehorcht dem Rat des Pi,
ist runder, rollt gemessener,
hat jeden Test bestanden.
Behaltet die Girlanden."

Er hat diese Kränkung nie wirklich verwunden,
aus Rache den Massentourismus erfunden.

Inversion, elisionierte



Beraubt der einz'gen Freud durch ew'gen Feind,
der mir hat zugesetzt seit alten Zeiten –
wie Leid ich bin dies' immergleiche Streiten.
Es find't ein Ende nimmer, wo es scheint,

als könnt' sich Feind zum Schluss mit Freund vertragen.
Zuletzt es sollt', man meint, ein Kampf schon sein.
Um dreht am Spieß sich fett ein glänzend' Schwein.
Bei Gott, Palaver schwer mir schlägt auf Magen.

Doch dies' Spiel nicht, wie's scheint, wär' wie vergebens,
wer, strebend immer, lernt denn sich bemüh'n?
Und aus den Strömen eines feiernd' Lebens –

man hätt', man find't, ein Recht auf Schluss des Bebens -
bewegt im Himmel still die Stern' verglüh'n.
So weis' man wird, ein Teil des leis' Erhebens.

Freitag, Juli 17, 2009

Ritzerlyrik



Weiche, Vene, weine wieder Wässer,
ritze Riefen, richte reife Rinde.
Schwarze Schlämme schwellen schwerer.
Anfallartig anders, angsterfüllter Abgang.
Panik penetriert pochende Pein,
ein Ekel erfasst, Elend erlebend,
bin beinah bereit, betreten beiseite
zu zagen, zerrend zwischen Zähren
und ungeheurem Ungemach. Unrecht
ist irren Idyllen immanent.
Keine Klage könnte kränker klingen
denn diese. Dachtest du, deine?

Grimm



Vor allem eins, mein Kind:
trau nie dem Licht, dahinter
steckt das Dunkel. Und glaub nicht,
dass einer käme, dich zu retten,
wenn du dich sicher wähnst.
Will wetten, dass der weiße Ritter
tief innen nicht ganz dicht ist.
Du gähnst, das ist ein gutes Zeichen.
Die Leichen kommen später erst
zur guten Nacht.

Melanchoholiker



Wenn er leise Laute spielte,
brach ein "Ach" aus ihrer Brust.
Wie sie seine Tiefe spürte,
fühlte. Sehnsuchtsvolle Lust...

Und sie webte, auf der Flöte,
perlend leichten Klanggesang,
feine Weisen, Morgenblüte.
Weh das Herz, das sie bezwang.

Hingegeben ihrem Streben,
Harmonie, Verstehen, Hoffen,
ja, sie ahnten es, sie waren
aneinander sturzbesoffen.

Mittwoch, Juli 15, 2009

Grün ist die Zukunft



Die letzten Tage und Wochen waren anstrengend, aber jetzt ist es geschafft. Alle Kisten sind vernagelt und fertig für den Transport nach Übersee. Ein wenig traurig bin ich nur, dass unser Büro jetzt geschlossen wird, nachdem wir das letzte Stahlwerk im Land demontiert haben. Hiermit ist die Industrie abgewickelt und Geschichte.
Nur die Unterabteilung gegen Schwarzproduktion bleibt aktiv, einige ewiggestrige haben den Ruf des großen Vorsitzenden Ali Schmitz nicht vernommen: "Ohne Industrie keine Umweltverschmutzung". Schritt für Schritt ziehen wir freiwillig in eine glorreiche Zukunft. Wir sind nicht mehr weit entfernt von einem wichtigen Etappenziel: 45% Betreute, 45% Betreuer, die jährlich ihre Aufgaben tauschen. 10% der Bevölkerung bilden die schlanke Verwaltung. Auch das Ziel der Emissionsfreiheit ist bald erreicht. Nach dem freiwilligen Verzicht auf das Rauchen und Grillen müssen wir jetzt nur noch ca 20% der Bevölkerung reduzieren (natürlich auf freiwilliger Basis), um eine Vollfinanzierung durch Ausgleichszahlungen der Weltbank zu erreichen. Auf der CO2-Börse steht unser Land hoch im Kurs. Durch freiwilligen Verzicht auf Geldkreislauf (Ohne Geld keine Armut), Konzentration auf Subsistenz- und Tauschwirtschaft nähern wir uns unserem letzten Ziel: Ohne Produktion keine Ausbeutung.
Der Kampf für soziale Gerechtigkeit geht voran, wie in einer Kettenreaktion fallen die Gegner einer gesunden, natürlichen Umwelt. Die Freiwilligenlager finden regen Zulauf.
Ich hoffe auf eine baldige Übernahme ins Büro für die Wiederansiedlung von Raubwild oder in die zentrale Koordinationsstelle für freiwillige Beschränkung. Ich werde mein bestes geben, ihr, der wir alles verdanken:
Ohne Mutter keine Kinder.

Modernisierung



Tapeten auf Wände zu legen ist schwer
und Dielen lösen sich leicht von der Hand.
Mit Bohrern kommt man besser dem Licht bei,
behauptest du und hämmerst ein Seil in die Luft,
an das wir uns hängen für den Sommer,
wenn wir schwarze Löcher an die Decke werfen.
Darunter starren wir Lack von den Türen.
Red du mal mit Schrauben, sagst du gequält
zum Spachtel, doch der kann nur Quast.

Hinter dem Zaun



Holunderblütenduftgeflutet liegt der Garten,
wo Spinnen kunstvoll feine Netze weben.
Lebendiglaut besingen Vögel ihre Taten,
bestäuben Bienen summend neues Leben.

Kopfüberkletternd pochen Kleiber an die Bäume,
Libellenpärchen paaren sich voll Lust am Teiche,
geschäftig modert eine morsche Eichenleiche.
Und was mach ich? Ich liege emsig rum und träume.

mutarm



von allen guten worten verlassen
sitzt sie die zeit ab am rand
geschichte geht weiter
ihr atem fällt schwer auf steine
wuchern bilder
fugen sind hier frei gelassen
nimmt sie hin und her einen schuss
für die welt dreht sich um
sie macht weiter

Schreiben



Na klar, ein jeder kann Gedichte schreiben.
Er muss bloß tief genug im Herzen wühlen.
Authentisch soll man das Geschäft betreiben.

Wortwörtlich nah am Thema heißt es bleiben -
zu lernen braucht man nichts, es reicht, zu fühlen.
Na klar, ein jeder darf Gedichte schreiben.

Man male das Sujet in Groß auf Scheiben
und mahle es gedichterisch in Mühlen.
Authentisch muss man das Geschäft betreiben.

Jetzt heißt es, das Empfundene zu reiben -
doch Obacht! Man hantiert mit Molekülen.
Na klar, ein jeder soll Gedichte schreiben.

Wer möchte nicht die Kritiker entleiben
und samt Gesülze im WC fortspülen,
wenn DIE authentisch ihr Geschäft betreiben?

Aus welchem Holz auch immer, Buche, Eiben -
als Dichter sitzt man zwischen allen Stühlen.
Na klar, ein jeder kann Gedichte schreiben.
Authentisch soll man das Geschäft betreiben.

Das geht nicht anders



An meiner Alten gibts nichts auszusetzen,
die Falten sitzen da, wo sie schon immer hingehörten,
an Plätzen, wie für sie gezimmert.
Es störten mehr die glatten Flächen mich.

Ich mein, wem soll ein schlechtes Leben nützen,
ist es gewollt, die Jugend immer zu erhalten?
Zu schützen, was im Leben stets entsteht,
erhalte Spalten dir und Klüfte im Gesicht.

Dienstag, Juli 07, 2009

Abschied



Nun kommt der Tag, nach all den langen Jahren,
der Treue, die wir uns bewiesen haben.
Es endet das, was wir einander waren.

Ich spür den kalten Wind in meinen Haaren -
am Himmel kreisen, heiser krächzend, Raben.
Nun kommt der Tag, nach all den langen Jahren.

Das Schicksal kann es keinem, scheint's, ersparen -
die letzte Trennung durch den tiefsten Graben.
Es endet das, was wir einander waren.

Die Sorgen, Nöte drängen sich in Scharen:
ob jemals wohl verheilen diese Narben?
Nun kommt der Tag, nach all den langen Jahren.

Ich bitte euch, behutsam aufzubahren,
verblichen sind die einst so frohen Farben.
Es endet das, was wir einander waren.

Zum letzten Mal will ich dich heute fahren -
nicht viel, was die vom Schrottplatz mir noch gaben.
Nun kommt der Tag, nach all den langen Jahren,
es endet das, was wir einander waren.

Aggressive Villanelle



Pass auf, du Opfer, mach hier keine Sachen.
Jetzt hagelts auf die Maske, auf den Bregen,
voll auf die Zwölf, da gibt es nichts zu lachen.

Ich mein, was soll ich denn mit dir sonst machen?
Du Spast scheinst ja den Ärger anzuregen.
Pass auf, du Opfer, mach hier keine Sachen.

Wenn Knochen unter Fäusten lauthals krachen,
dann spüre ich der wilden Furien Segen.
Voll auf die Zwölf, da gibt es nichts zu lachen.

Es wär an dir, so langsam aufzuwachen,
du wandelst sorglos auf verminten Wegen.
Pass auf, du Opfer, mach hier keine Sachen.

Dich schick ich in die Lüfte wie 'nen Drachen,
ich werd mit dir die Bürgersteige fegen.
Voll auf die Zwölf, da gibt es nichts zu lachen.

Dein Dasein nutzt, ein Feuer anzufachen.
Gewalt? Du bist ganz sicherlich dagegen.
Pass auf, du Opfer, mach hier keine Sachen,
voll auf die Zwölf, da gibt es nichts zu lachen.

Auf dem Balkon



Die Stadt lag vor ihm im Licht einer Frühlingssonne, die in diesem Jahr viel zu früh erschienen war und mitten in den Winterschlaf geplatzt.
Die Welt, dachte er, ist so gut organisiert, dass auch die nicht funktionierenden Aspekte kalkulierbar sind, es gibt keine Abenteuer mehr und alles scheint vorbestimmt, je nachdem, in welcher Region man sozialisiert wird.
Es müsste Persönlichkeitstauschbörsen geben, damit hätte man immer die richtige Einstellung zur Hand. I-Bay würde er sie nennen, klein anfangen und dann in ein paar Jahren den großen Schnitt machen an der Börse und danach auf dem Balkon sitzen und die Welt betrachten. Er würde sich eine schöne Sammlung von Persönlichkeiten zulegen, von fröhlich bis depressiv. Keiner sollte ihn mehr zur Verantwortung ziehen können für Handlungen, an denen er nicht einmal als Zeuge beteiligt war. Jede Art von Musik würde ihm gefallen, er könnte alles essen und hätte immer eine passende Meinung zur Hand.
Die einzigen Probleme waren noch die Konstruktion einer Maschine zum Persönlichkeitstransfer und die Vermarktung. Sich an einen der großen Pharmakonzerne zu wenden, kam nicht in Frage, über deren betrügerische Machenschaften wusste er alles. Dem Staat durfte seine Erfindung natürlich nicht in die Hand fallen, die Gefahr war zu groß, dass es zu einer Vereinheitlichung von Individualität kommen könnte. Nicht auszudenken, ein Volk brav Steuern zahlender, gesetzestreuer Gutmenschen. Er würde sich Riskokapital besorgen müssen oder Gelder aus dubiosen Quellen.
Da war es wieder, dieses Problem Geld. Die einzige Möglichkeit, nennenswerte Mengen davon zu besorgen, waren Arbeitsgebiete, von denen er keine Ahnung hatte: Drogen-, Waffen-, Frauen- und Kunsthandel. Beim Nachdenken über die optimale Reihenfolge (erst Waffen besorgen, dann Drogenhändler damit bedrohen oder erst Frauen und mit dem Erlös ihrer Vermittlung auf dem Kunstmarkt einsteigen oder...?) verging der Vormittag. Zeit zum Mittagsschlaf, er träumte von einem Apparat, mit dessen Hilfe man seine Träume programmieren könnte und erwachte mit dem konfusen Gedanken, dass Träume, die man selbst bestimmen und so auch verwirklichen könnte, eigentlich keine Träume mehr wären.
Mit einer Tasse guten Tees setzte er sich wieder auf den Balkon, beobachtete die Geschäftigkeit der Welt, die zielgerichteten Bewegungen, das Ineinandergreifen der einzelnen Faktoren. Wenn sie wüssten, dachte er, wenn sie wüssten, wie anders sie alle sein könnten. Entspannt, kontemplativ, in der Lage, auch die Zeit mal gerade sein zu lassen, nachzudenken ohne immer gleich alles verändern zu wollen. Was die Welt jetzt braucht, dachte er, ist Müdigkeit, viel mehr Müdigkeit. Gleich morgen würde er anfangen, ein Gerät zu entwerfen, einen Trägheitsgenerator, den Entschleuniger. Die Welt würde ihm seine Erfindung danken, zu Ruhm und Ehre würde sie ihm gereichen und zu immensem Reichtum. Dann würde er endlich ausruhen können.

Freitag, Juli 03, 2009

Aus einander



Ein Vogel flötet einsam in dem Baum,
in dessen Schatten wir so oft gemeinsam lagen.
Dann gingst du fort und aus war unser Traum.

Du sahst für dich nicht mehr genügend Raum,
du kamst dir wie gefangen vor, dich quälten Fragen.
Ein Vogel flötet einsam in dem Baum.

So dunkel wie sein Lied ist auch sein Flaum,
ich konnte deine Qualen bald nicht mehr ertragen.
Dann gingst du fort und aus war unser Traum.

Oft stand ich sinnend an des Waldes Saum
und träumte, dass wir uns befreiten von den Plagen.
Ein Vogel flötet einsam in dem Baum.

Wir wurden Fremde und wir sprachen kaum:
Wer würde wohl als Erster etwas Falsches sagen?
Dann gingst du fort und aus war unser Traum.

Du zucktest, hattest vor dem Munde Schaum,
als dich das Messer traf, da endeten die Klagen.
Ein Vogel, einsam, flötete im Baum,
dann gingst du fort und aus war unser Traum.

Am Fenster



Ein Auto kommt von links, ein Golf,
er fährt vorbei. Hält an der Ampel und
biegt ab in Richtung Innenstadt.
Am Kiosk gegenüber kauft ein Kunde eine Tüte Bier,
Flaschen klirren lauthals durch den Morgen,
Teenies kichern über was, ein schwacher Wind
weht Wolkenberge vor die Sonne. Winzig kleine Spiegelscherben
fallen plötzlich auf die Dächer geben nach,
Rohre leiten mächtig in die Tiefe
und die Straßendecke platzt.
Ein Blick wird frei auf die Gedärme dieser Stadt,
Farben, Formen laufen, fließen,
endlos winden Linien, knüpfen
schlängelnd freie Flächen, Muster kommen wieder,
mischen Töne, bilden wortlos
gehen zwei Passanten auf dem Weg. Einander
abgewandt stehn Blumen im Begleitgrün
glitzert noch der Tau der letzten Nacht.
Ein Auto kommt von rechts, ein Audi.

Poema Interrupta



Dies ist ein schmutziges Gedicht.
Gleich wird es explizit beschreiben,
wie Leib an Leib sich reibt und dann -
ach nein, das lass ich lieber bleiben.

Laut tönt hier hemmungslose Gier,
im dämmerigen Schummerlicht.
Wenn sie mit ihm und er mit ihr
und dann - das schreib ich besser nicht.

Es treibt ein Paar sich in Ekstase,
erstrebt zum Schluß der Liebe Lohn.
Am Bettrand gähnt ein Plüschtierhase.
Denn was jetzt kommt, das kennt er schon.

Ignorator



Wenn jemand sich für eine Sache intressiert,
dann ist er froh, wenn er noch andre findet,
die dieses Fachgebiet genauso fasziniert.
Die Menschen mögen das, was sie verbindet.

Fast alle, jedenfalls. Es gibt auch solche,
zum Streit bereit, zum steten Provozieren,
die können heiße Lüfte produzieren
und waren schon im Kindergarten Strolche.

Wie kann man denen denn begreiflich machen,
dass öde wirkt, was sie so fabulieren,
wenn keiner außer ihrem stumpfen Lachen

mehr etwas hört und sie sich nicht genieren,
ein jedes Thema zwanghaft abzuflachen?
Man kann es nicht. Man muss sie ignorieren.

Aufgabe 2



Mein Therapeut sagt: "Schreib 'ne Villanelle,
wie ich dich kenne, machst du das mit links."
Am Anfang gabs Probleme mit dem Dings...
äh, sag mir doch mal einer auf die Schnelle...

...ja, Reim, genau. Wo war noch mal die Stelle
mit der Gesellschaftsordnung? Oder fings
nicht mit Gefühl an? Eben darum gings:
dass nicht der Mensch mehr derart wölfisch belle

auf tausende von Zetteln und in Blöcke.
Schreib ich Entwurf, Verwerfung, Korrektur -
genug geopfert sind der Sündenböcke!

Jetzt bleib ich hart, nun mache ich auf stur,
ich kerbe das Gedicht in Eichenstöcke.
Der will in Moll? Von mir kriegt er nur Dur.

Limerick UK 1



A town in England called London
that turned from wealthy to fun den
for a party of thieves,
no aces in sleeves,
leaves Brown to the town. Poor London.

Besuch




Ein Gast, wie schön, komm rein,
erzähl. Wie war die Reise und vor allem,
was willst du trinken? Hast du Hunger?
Setz dich doch hin, das ist der beste Platz.
Ich hörte schon von deinem Kummer,
und von den Sorgen, die dich drücken.

Das wird bald wieder, keine Angst,
greif zu, wir wollen fröhlich feiern.
Hier bist du sicher jederzeit willkommen.
Natürlich kannst du bleiben, wenn du willst.
Gewöhn dich ruhig ein, noch ist dir vieles Fremd.
Wenn du nicht reden magst, ich hör dir zu.

Ich will dir helfen, weil ich weiß wie dir
zumute ist. Ich kenne das aus den Berichten.
Wie du behandelt wurdest, das ist skandalös,
wir könnten, sollten da ganz schnell was machen,
sonst ist es bald zu spät. Ein Fehler und
wir müssen passen. Nun geh, ich nehm mich deiner an.

O.T.



Je weiter er fortschreitet, desto leerer wird die Welt. Nur noch spärlich sind Halme zu sehen, vertrocknete Sträucher krümmen sich in der Sonne, der Bachlauf, dem er gefolgt ist, versiegt. Die Erde bleicht aus, zerkrümelt zu Staub. Am Horizont sieht er die Bergkette, sein Ziel. Wind weht ihm ins Gesicht, zunehmend heiß, austrocknend. Der Wind flüstert, murrt, spottet, er flucht.
In einen dreivierteltakt gefallen, stolpert der Mann weiter, zieht sich den Hut tiefer in die Stirn, er murmelt vor sich hin. "Wasserkopf, Wasserkopf, Feuerkopf, Feuerkopf, Einzeller im leeren Meer aus Sand." Dazu schüttelt er die Hände, als würde er eine Saat ausbringen, er zieht Furchen, er sieht Gebilde im blau des Himmels, das ihn blendet, bis er die Lider schließt. Nun erst recht sind sie zu schauen, die Fratzen, dämonische Gesichter mit aufgerissenen Mündern und riesigen, starren Augen, die durch ihn hindurch sehen, deren Blicke vom Boden abprallen und ihn durchsieben, bis der Wind hindurchpfeift. Er pfeift ein Lied, eine knatternde Melodie aus Keuchen und ratternden Maschinenrythmen, ein uraltes Stück aus einer verlorenen Zeit, als er noch unter Bäumen ging, auf Straßen aus Stein. Jetzt ist er da, wo er hinmusste, wohin es ihn schon immer getrieben hat, auf den Wegen abseits der alten Vorstellungen. Voller Angst und Vorfreude torkelt er weiter, blind und taub, "weitergehen, weitergehen", bis er verstummt.