Virtuelle Schublade für Bilder, Gedichte, Geschichten, Links und Zeug. Impressum: Rolf Menrath, Scheffelstr. 28, 47057 Duisburg, D
Dienstag, April 29, 2008
Schwebeschemen
Bilder fluten aus den Wellen,
losgetreten schweben Geister,
spiegeln wider, gleiten weiter.
Bleiche Wesen malen Schauen.
Töne brechen sich an Wänden,
klingen nieder, blenden über,
schwache Hände leiten leiser.
Leiden ebben, enden, ruhen.
Stadtmusikanten (Remix)
Es war einmal ein Rapper, der lief den ganzen Tag mit seinem Ghettoblaster durch die Gemeinden und verbreitete Neuigkeiten. Doch als er in die Jahre kam, die Füße schmerzten, die Stimme brüchig und das Bärtchen grau wurde, meinten die Bosse seiner Plattenfirma, dass er sich nicht mehr so recht rechne und wollten ihn an einen Privatsender verscherbeln, wo er bald sein Ende als Promi hätte finden sollen. Durch einen Fehler der Chefsekretärin wurde die E-mail zu diesem Betreff an ihn weitergeleitet, also packte er seine Sachen und machte sich auf den Weg. "Etwas besseres als dies finde ich immer, also Ende mit dem fiesen Gewimmer" dachte er bei sich und ging in Richtung der nächsten Bushaltestelle. Da kam er an einem abgebrannten Schlösschen vorbei, vor dem ein in einen bodenlangen Rock gewandeter älterer Herr mit einer Stirnglatze und langem, weißem Bart ganz jämmerlich auf einer tiefer gelegten Sackpfeife blies.
"Gute Güte, alter Gote," sprach da der Rapper, "was machst du für ein Gesichte, berichte deine Geschichte." "Wohlan, ich bin Wittewat, ein in allen Landen berühmter und geachteter Speedfolkdoodlezacker," antwortete der angesprochene. "Eine Horde von norwegischen Blackdeathmetallern hat meine trutzige Burg erstürmt, die edlen Fräuleins verschleppt und alles in Schutt und Asche gelegt. Oh weh mir, auf meine alten Tage werde ich betteln müssen!"
"Stopp dein Jammern und dein Sorgen," sprach der Rapper," folge mir, vergiss das Morgen." So gingen die beiden weiter, bis sie an einen großen, tiefen Fluss kamen, da stand ein in die Jahre gekommener, barfüßiger Mann mit geflochtenen Haaren bis auf den Boden und jammerte kläglich. "Ei, was ist denn dir widerfahren?", fragten die beiden. "Viel Elend ist mit mir," entgegnete der Angesprochene und seine Unterlippe zitterte, "die Hunde von Babylon haben auf mein Ganja gepisst und jetzt habe ich nichts mehr als diese saitenlose Gitarre. Was soll nun aus mir werden"?
"Reih dich ein", sprach der Rapper," mein Name ist Schnupfhund, dies ist Wittewat und wie heißt du?" "Ich bin Sol-I und werde mit euch ziehen, gegen die Ausbeuter und Unterdrücker." Sie gingen weiter, auch wenn ihnen die Rücken schmerzten und die Augen schwer wurden, bis sie in eine riesige Stadt kamen. Da sahen sie, auf einer Kreuzung vor einer Säule, eine merkwürdig gewandete Dame reiferen Alters, die hatte violett gefärbtes Haar, trug eine riesige rosa Sonnenbrille und ein zu kurzes Hemdchen. Von Zeit zu Zeit stieß sie schrille Laute aus und fuchtelte mit einer zerbrochenen Wasserpistole herum. "Was ficht dich an?", fragten die drei wie aus einem Munde. "Weia, weia, ich bin die Jane Iiaana, einst gefeirtste Eintänzerin unter den Blinden, aber jetzt haben die jungen Schlämpchen mit den Höschen in den Stiefelchen mein Krönchen geraubt. Not und Verzweiflung sind mir geblieben." "So komm mit, etwas besseres als den Tod finden wir allemal."
Die vier gingen, bis sie zu einem Ort mit dem seltsamen Namen "Bringsenum" kamen. Dort gelangten sie an ein herrschaftliches Anwesen in einem riesenhaften Park, daraus ertönten in hörgerätbetäubender Lautstärke die schlimmsten Klänge, die sie jemals vernommen hatten. Sie hielten einen vorbeihastenden Passanten an, der sich entsetzt die Hände auf die Ohren drückte und fragten, woher wohl diese jämmerlichen Missklänge stammen möchten. Der verzweifelte Mann gab ihnen eine Antwort, die sie nicht recht verstanden und eilte weiter. Sol-I, der noch die besten (und größten) Ohren der vier hatte, schrie: "Soviel ich verstand, sprach der arme Mann: Schlagergefahr, Dietmar versohlen."
So gingen sie durch den Garten und kamen an eine wohlgesicherte Tür, da rappten und bliesen und schrammelten und kreischten sie derart, dass Schloß und Riegel barsten. Im Wohnzimmer trafen sie auf ein jämmerliches Hutzelmännchen, dessen faltige Haut sonnenbankverbrannt wie ein Mäntelchen um ihn hing. Den verprügelten sie derart kräftig, dass er wehklagend aus seinem Palast verschwand. Dann gründeten sie dort eine WG und sind heute noch glücklich und zufrieden, wenn sie nicht gestorben sind.
Bild los
Überall sind Augenfallen, wer hineinsieht findet kein Ende mit Schauen. Einzige Waffe dagegen ist absichtliche Kurzsicht, eine Art künstlichen Schielens, wenn sich Blicke überlappen, unscharf geworfene Ränder. Man kann alles anders sehen und das Andere sehen, was Offen liegt. Erst der Genauigkeit entwöhnt wird Schärfe unerträglich, Weichblick übersieht die Winkel, bei denen sich die Oberfläche biegt, bis sie dreht und Unterfläche scheint. Hier lauert Gefahr, die Ansicht gewöhnt, Normalität aus Differenz stellt sich ein. Da hilft changierendes Schauen, Springen zwischen unterschiedlichen Sichten. Das zu deutliche nicht zu undeutlich zu machen erfordert Bemühung um schwebenden Aussichtspunkt, bis sich ein Muster erlöst in ständigem Wandel.
Ein großer Wurf wäre, Worte dafür zu finden.
Alchemie
Dhimmi (Kuscheln für Anfänger)
Komm, Wahabit, mein Freund und lass uns schmusen.
Ganz tief im Busen weißt auch du: uns eint der Feind.
Fest schlage zu. Gewähr ihm keine, schenk mir Ruh.
Natürlich will ich deine Werte respektieren, nimm meine Hand,
schlag sie nicht ab. Wir können uns gewisslich arrangieren
und gegen unsern Gegner wollen wir paktieren: den Satan
USA. Und solltest du die Israelis etwas derangieren, na gut.
Kein Blut für Öl, doch für ein freies Palästina? Nun ja,
das, was du Freiheit nennst, ist nicht so ganz mein Ding.
Doch muss ich das kulturpolitisch neu evaluieren,
weil irgendwie mein Herz an dieser Ordnung niemals hing.
Da ich vor allem kein Rassist bin, darf ich die so schimpfen,
die nicht korrekt sind. Gern will ich so authentisch sein wie du:
Ein echter Radikaler, eine Kampfnatur. Nur eben eher mehr verbaler.
Annäherung
Die Sicht schließen
Global denken, lokal handeln
Schön ist die Erntezeit, aber anstrengend. Gestern war ich in der Gerste, heute im Roggen und morgen, Sonne vorausgesetzt, wird der Raps geerntet. Er steht gut dieses Jahr, die Preise steigen und darum denke ich darüber nach, die Anbaufläche auszuweiten. Konsequente Produktion mit biologischen Methoden, Pflege der Pflanzen nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen und viel Handarbeit bringen ein hervorragendes Ergebnis. Mein Rapsöl braucht sich nicht zu verstecken.
Einziger Wermutstropfen ist die heute eingetroffene Absage aus Brüssel. Für Subventionen sei mein Betrieb zu klein, heißt es darin. Na, die werden sich noch wundern! Aber eigentlich ist ja sowieso alles, was subventioniert werden muss, überflüssig. Da behalte ich mein Geschäft lieber selber in der Hand, auch wenn die Doppelbelastung aus Landwirtschaft und Marketing hart ist.
Autarkie war schon immer mein Traum. Wasser liefert der Regen, wir leiten ihn in den zur Zisterne umgebauten Keller. Strom werden wir wieder haben, wenn ich das vom letzten Orkan lädierte Windrad repariert bekomme, aber da wir ohnehin mit den Hühnern aufstehen und früh zu Bett gehen, brauchen wir kaum noch künstliches Licht. Die Energie für die Ölmühle im Wohnzimmer kommt von zwei Sonnenkollektoren, die ich auf dem Dach angebracht habe. Wenn ich alle Nachbarn überreden kann, auch Raps anzubauen auf ihren Balkonen, rechne ich mit einer siebzigprozentigen Auslastung der Maschine.
Fleisch und Wolle kommen von den Hasen im Kinderzimmer, auch wenn es jedes Jahr großen Ärger mit den Kindern gibt vor der weihnachtlichen Schlachtung. Im Flur will wegen des fehlenden Lichts nichts anderes wachsen als Champignons, diese dafür aber so reichlich, dass ich schon überlege, einen Stand auf dem Wochenmarkt zu errichten. Da könnte ich auch gleich die Kräuter aus dem Schlafzimmer anbieten, heimische Produkte erzielen bei bewussten Käufern wieder gute Preise. Dass ich die Pflanzen mit den Wertstoffen aus der Biogasanlage im Bad dünge, muss keiner wissen.
Nächste Woche will ich die Hausverwaltung anschreiben wegen meiner Idee des senkrechten Gärtnerns. Die Wände unseres siebzehnstöckigen Hauses bieten reichlich Platz für Spaliere. Kiwis auf der Südseite, Hopfen auf den anderen. Man will auch mal ein Bier trinken, nach Feierabend, und außerdem isoliert der Bewuchs die Fassade.
So, jetzt muss ich rauf zu den Güzels in den zwölften, die wollen mir heute alles über Teeanbau und Schafzucht beibringen. Nette Leute.
Begabung
Ich habe ein sehr seltenes Talent,
das, was ich kann, das kann kaum keiner.
Da es bisher der Wissenschaft noch unbekennt
bewerb ich mich bei "Aus den vielen Einer".
Ich kann Sangria nicht nur eimerweise tanken,
ich ziehe einen ganzen Tanker leer. Und dann
verspeise ich ein Löschblattsortiment von blanken
LSDundMeskalinundgibmirmehrundmehr. Wohlan,
ich schnüffele am Mofatank. Denn dies Gemisch,
mit einer Tonne Mari aus juana froh beraucht,
erhält mich frisch. Liegt reichlich Soma auf dem Tisch,
ich werde mich bedienen. So tief ist keiner noch getaucht,
in Meere aus Cognac. Absynthisch morphinal
aufs Beste eingestellt. Auf in das jenseits dieser Welt,
ich delirire jeden. Halluziniere endorphinphänomenal.
Was bietest du mir mehr als Geld?
Samstag, April 19, 2008
Spieljunge für ewig
Da sind Drachen und Orks und Frolleins in Türmen
und mächtige Ritter, die Burgen erstürmen.
Gewappnet der Sinn und gezückt ist das Schwert,
im Harnisch hinauf aufs gepanzerte Pferd.
Den gräßlichen Lindwurm mit häßlichem Schwanze
durchbohret des Recken längliche Lanze.
Dann wird vom Mundschenk der Met serviert -
verdammich, der Rechner ist abgeschmiert.
Lamento
Morgens zieht der Lämmergeiermann
müde seine Federn an und stöhnt.
Jeden Tag die gleiche Leier,
ach ich armer Goldengeier.
Mann, das geht mir auf die Eier.
Dieser miese Knochenbrecherjob,
und ob ich Spaß hab, das fragt keiner.
Was bloß habe ich verbrochen?
Ständig heißt es: hol zum Kochen
Backen- Becken- Wirbelknochen.
Einen fetten Alpenlämmerschwanz,
ganz für mich alleine, das wär fein.
Gerippe gibts wie Strand am Meer,
wo kriege ich ein Fleischstück her?
Oh weh, mein Schicksal wiegt so schwer.
So kreist dort am Himmelsfirmament
seit ewig schon der Bartfalk. Und er flennt.
Extraportion
Harte Zeiten gehabt, im Grammatischen
Wortbruch gebeugt geschuftet,
das Gold aus Redeflüssen gewaschen.
Im Satzbau Schachteln befüllt und
in Beziehungen Bedeutung gebracht.
Strenge Verslehrer trieben uns
durch Gliederungen, wir litten
unter Schriften. Die Herren der Wörter
haben Kapitel akkumuliert,
sie hatten keinen Mitlaut für uns.
Wir haben uns verbalisiert, auf den Absatz
gebracht, sprangen über den Punkt
und folgten den Fragezeichen,
bis wir im Sprachlosen aufschlugen.
Trau niemals einem Hippie
Hast an die Pforten des Himmels geklopft,
Bewusstseinserweitert ins All.
Du hast das Buch der Toten gelesen,
bist bei Leary ein Lehrling gewesen.
In das Zeitloch führte dein Fall.
Zupf die Gitarre, die du Jimi nennst,
Jahre schon treuer Begleiter.
Sommer der Liebe hat jetzt begonnen,
du kontrollierst die Herzen der Sonnen,
fliege ins Leere, ins Weiter.
Stets warst du nur im Werden begriffen
und bliebest immer der gleiche.
Hast an Blumen nichts Böses gerochen,
nie hast du ihre Stiele gebrochen.
Düng sie nun mit deiner Leiche.
Daddy war ein Hundesohn
Es war der dritte September,
er hing am Treppengeländer, am gleichen Tag,
als mein Hamster Conny Kramer starb.
Er war im Leben niemals nüchtern,
nein, nicht der Conny, der war eher schüchtern.
Mama, was stimmt denn wohl? Erzähle es mir.
Und Mom setzte die Zähne ein und sprach:
Dein Papi war ein Hurenbock, mein Sohn,
er war in jedem Schottenrocke schon,
und als er starb, da blieb uns nur ein einunddreißig Jahre
altes T-shirt der Ramones (das echte, mit den Löchern drin).
Er trug die olle Hose von Sid Vicious,
zum Frühstück trank er gern ein frisches
Bier aus der Dose und dazu eisgekühlten Bommerlunder.
Nun, nun
Hey, Mama, ist es wahr oder gelogen,
konnte Daddy nur schnorren und pogen?
Und Mami setzte die Irokesenperücke auf und sprach:
Dein Vater war wohl immer schon ein Punk,
nie hatte er ein Konto bei der Bank
und als er ging, da hinterließ er uns allein..lein...lein
die Hardcoreplatten da im Schrank.
Sein größter Schatz ist uns geblieben,
von The Clash die allererste sieben
inch single (leider völlig ramponiert).
Ugh
Und Mutter blickte auf mit einer Träne auf der Brille und sagte:
Dein Papa hasste immer schon die Stones,
die Beatles und die anderen clones.
Und als er starb, da wussten seine Kumpels lange schon:
Daddy war ein Hundesohn und keine Zukunft war sein Lohn.
Er konnte mehr als Jonny Rotten saufen,
sich von gepumpter Knete Schore kaufen,
und als er ging, da ging er straight to hell.
Well, well, well
Darstellung des Sachverhalts
Hab ich mich aufgeregt, der ganze Tag im Arsch, erst hatte ich einen Platten am Rad, dann kam ich zu spät zu meinem Termin, musste über eine Stunde warten ("wenn sie nicht pünktlich sein können, müssen sie halt warten, ist ja nicht das erste Mal", so die blöde Wartezimmervorstehschlampe zu mir, aber mit der werde ich auch noch mal richtig reden, wenn ich die anderen drängenden Dinge erledigt habe, die kann warten, ich weiß ja, wo sie sitzt), dann schneidet mich einer auf der Rückfahrt, biegt einfach rechts ab, so dass ich stürze mit meinem neuen Rad, die Gabel ist verbogen, der Lenker verkratzt und das Licht geht nicht mehr, aber die Reparatur zahlt der doofe Sack, muss er ist schließlich schuld, dieser obergescheite Oberlehrer, Kinnbart, gepflegt, graues Jackett, braune Feinkordhose und ein nagelneuer Mercedes Coupe, der Traum seines Lebens und der seiner ollen Schnalle wohl auch, die haben sich bestimmt vor vierzig Jahren kennengelernt, nackt am Strand von Kreta, bekifft ums Feuer getanzt, seitdem durch dick und dünn zusammen und er quält, inzwischen völlig gelangweilt, immer die gleichen Schüler mit immer den gleichen Fragen, zuhause hängt noch das alte Che-Guevara Plakat und irgendwie ist der doch imer noch links und für das gute, so wie der redet mit seiner Rotweinnase und den Segelohren, als Kind hatte der bestimmt den Spitznamen Dumbo, "du blöde Hackfresse", hab ich ihm gesagt und mehrmals in die Knautschzone seiner silbergrauen Schrottkarre getreten mit meinen Stiefeln, "dich mach ich fertig, du Sau, schneidest mich, ihr seid doch alle gleich, einer wie der andere mit euren Boliden, wem willst du denn was vormachen?" und der zieht tatsächlich seine Brieftasche und will mich mit hundert Euro abspeisen, das wär ja wohl genug, meint er, für meinen rostigen Drahtesel und da bin ich richtig ausgetickt und hab ihm meinen Rucksack durch die Fresse gezogen, seine Alte fing gleich an zu kreischen, Polizei! Polizei! und da musste ich der auch noch ein paar reingeben und dabei ist mein guter, blauer Eastpack aufgeplatzt und alles ist durch die Gegend geflogen und der Wind hat das Gutachten verweht, mein psychatrisches Gutachten, für das ich so lange gekämpft habe, gerackert habe ich mich durch die Scheißstandardwerke und Fachzeitschriften abonniert und im Internet geforscht und jetzt ist das doofe Ding weg, dabei habe ich morgen einen Termin bei der Bundesanstalt, es geht um meine Frühverrentung aufgrund massiver psychischer Beeinträchtigung, dabei habe ich den ganzen Idioten doch nur Theater vorgespielt, die kann man aber auch so leicht reinlegen, wenn man nur genug von ihrem Kauderwelsch versteht und jetzt suche ich den Wisch überall auf den Straßen. Haben sie ihn vielleicht gesehen?
Umdrehung
Seit er sich erinnern konnte, lief er davon, er lief und lief, immer weiter. Seine Eltern hatten ihn von klein auf gewarnt: "Bleibe niemals stehen, folge immer dem Weg, weiche nicht ab und dreh dich nicht um". Sie hatten ihm auch von der Prophezeiung zu seiner Geburt erzählt, damals, als er noch ein winziger, niedlicher kleiner Tag war, dass er, sollte er jemals innehalten, der Dunkelheit zum Opfer fallen, dass sein Licht erlöschen würde in der ewigen Finsternis. Doch jetzt, wo er älter geworden war und anfing, sich eigene Gedanken zu machen, seine Gedanken neu zu ordnen, begann er sich zu fragen, ob jener Schleier, den er stets wahrnehmen konnte ganz weit entfernt am Horizont, ob der nicht auch Teil der Dunkelheit sei, die sich hinter ihm befinden sollte. Er befragte die Vögel, die manchmal mit ihm um die Wette flogen, ob diese jemals die Dunkelheit gesehen hätten, doch die Vögel konnten seine Fragen nicht beantworten. "Es ist hell, dann ist nichts, dann ist es hell", war ihre Antwort. "Und außerdem singen wir dir Lieder von unserer Freude, damit du wach bleibst und uns scheinst". So lief er und lief, bis er eines Tages beschloß, keine Angst mehr zu haben. Er blieb stehen und drehte sich um.
Der kleinen Nacht war es nicht anders ergangen in ihrem jungen Leben, sie war gelaufen und gelaufen auf der Flucht vor dem Licht. "Es wird dir übel ergehen", hatten ihre Eltern gesagt,"wenn dich die Helligkeit erwischt. Du wirst von einem Moment auf den anderen verschwinden, so haben es die Weisen prophezeit". Sie hatte die Fledermäuse befragt, aber die hatten nur geantwortet: "Es ist dunkel, dann ist nichts und dann ist es dunkel, aber wir pfeifen dir unsere Lieder, damit du den Weg findest". Auch die kleine Nacht meinte, weit, weit entfernt etwas sehen zu können, das sich von ihr unterschied, aber so schnell sie auch lief, sie kam dem Geheimnis nicht näher. So dachte sie eines Nachts: "Wenn ich stehenbleibe, mich umdrehe und in die andere Richtung laufe, müsste ich ihm doch näher kommen. Ich bin groß inzwischen und kenne keine Angst".
Also blieb sie stehen und drehte sich um.
In weiter Entfernung erblickten der kleine Tag und die kleine Nacht ein etwas, ein Dunkel, ein Licht, und sie begannen zu laufen und sie liefen und liefen, aber sie kamen sich nicht näher. Und so laufen sie heute noch, Sehnsucht im Herzen und sie kennen keine Angst mehr.
Aus Sprache
Bis in die Wurzeln mit Worten bewaffnet,
Vokale von Konsonanten getrennt.
Mit geschliffenem Sinn zerschnitten
die Kehlen der Gedanken, zu saufen
die sprudelnden Silben, solange bis
du voll gelaufen nach dem nächsten Satz
schreist. Die Namen nimmst du
von der Zunge und wirfst sie
von den Klippen mit einer Wendung,
speist eine Rede nach der anderen.
Ich stoße dir schweigend ein zugespitztes
Nein zwischen die Lippen.
Dienstag, April 08, 2008
Berufung
Keiner hört mehr zu, heute, entweder haben die Leute Knöpfe in den Ohren, können kein Deutsch oder sind betrunken. Ich meine, ich habe schon harte Zeiten erlebt, Ende der sechziger, obwohl, damals konnte man wenigstens noch diskutieren, auch wenn nie ein Erfolg zu verzeichnen war. Aber jetzt, vielleicht liegt es auch daran, dass man es leid wird, schließlich habe ich nur noch zwei Jahre bis zur Rente, dabei bin ich eigentlich fit und leistungsbereit, jedenfalls für mein Alter. Ich habe mich auch schon in andere, eher ländliche Gebiete beworben, weg aus der Anonymität der Großstadt, dahin, wo die Menschen einem Straßenbahnpfarrer noch zuhören. Aber leider gibt es kein nennenswertes Schienennetz in der Provinz, obwohl, ich war bereit, mich auf Buspfarrer umschulen zu lassen, selbst wenn das eine Minderung der Bezüge bedeutet hätte, aber man sagte mir, ich sei zu überqualifiziert. Für eine Ausbildung zum Berufskraftpfarrer bringe ich zwar die erforderlichen guten Nerven mit, nicht mehr jedoch die Gesundheit, die Augen lassen nach und die Prostata ist auch hin, da kann man kaum endlos auf dem Bock sitzen. Jetzt denke ich daran, auszuwandern, nach Saudi-Arabien vielleicht, da ist noch echte Bekehrungsarbeit zu leisten, es gibt keine Besoffenen und einen gewissen Hang zum Jenseitigen. Wobei, die Sprache soll ja nicht leicht zu erlernen sein.
Oder ich mache mich selbständig, eröffne ein eigenes Büro, bilde aus und stelle Leute ein. Mal ganz was anderes machen, Hasspredigten on demand, das ist doch eine echte Marktlücke, da müsste einiges zu holen sein für einen mit Erfahrung und Leistungswillen. Muss ich mich gleich morgen mal erkundigen, was die Bank dazu sagt.
Sonntag, April 06, 2008
Vereinung
Die Zeit zu zögern ist vergangen
an Zweifeln auf dem Weg
zu dir löst sich die Erde
auf. Fragen gibt es keine.
Sicherheit wiegt das Schilf
sehnt sich nach dem Schnitt
zu dir. Brennt das Wasser schon
immer. Hat es gerade angefangen.
Zu atmen ist die Luft nicht mehr
alleine. Gibt es nur eine Möglichkeit
zu sprechen im Verstummen
will ich opfern. Und zu dir gelangen.
Aufgehängt
Da ist die Wand. Hier meine Hand
und die will ich behalten. Mit allen
Gliedern. Es ist bekannt,
wie die uns dort verwalten.
Schlag die Maschine und bohre
Löcher in Stein, so tief wie es geht.
Meinen Verstand für treibenden Sand,
wer wird die Wärme erhalten? Hallen
den Liedern, wesensverwandt,
kühl schon bevor wir erkalten.
Schlage die Haken tief ins Gestein,
decke mich zu. So soll es sein.
Verhetzung
Dieser Satz beleidigt eine Religion,
der nächste würdigt einen Gott herab.
Und dieser Eimer voller Hohn
(für wen der ist, das ahnt man schon)
ist alles, was ich für ihn hab.
Jede Zeile ist eine Verbalinjurie,
verhöhnt die Konfession.
Hier wird ein Bekenntnis beschimpft,
in Tateinheit mit verunglimpft:
Ein Depp, der Baal aus Babylon!
Abzählreim
Nach der Geburtstagsfeier
Nichts, absolut nichts geschah. Er probierte schon seit Stunden, mühte sich, las wieder und wieder das Handbuch, aber nichts. Kein Ergebnis, nichts passierte.
Dabei hatte er sich so auf diesen Abend gefreut, am Ende seines Geburtstags, endlich alleine in seinem Zimmer mit den Geschenken, vor allem mit dem einen, das er sich schon so lange wünschte. Die Spannung, ob er es bekommen würde - es war immerhin ziemlich teuer - war bis zum Schluß geblieben, bis er endlich vorsichtig das Papier geöffnet hatte. Was für eine Freude, und jetzt - nichts.
Ein leichtes Bauchgrimmen erinnerte noch an zu viel Kuchen und Limonade, aber das nahm er gerne in Kauf. Schließlich durfte er nur an Feiertagen gezuckertes zu sich nehmen, er neigte dazu, schnell Gewicht anzusetzen. Diese gewisse Pummeligkeit und die seine Kurzsichtigkeit ausgleichenden, dicken Brillengläser führten zu ständigen Hänseleien seitens seiner Mitmenschen. Es war schon schwer genug, Freunde zu finden, wenn man etwas besonderes war, aber mit diesen Handicaps schien es ihm fast unmöglich. Eine Freundin kam gar nicht in Frage, so war ihm klar, dazu würde er sich von Grund auf verändern müssen. Etwas großes tun, um die anderen zu beeindrucken, etwas wunderlich-einmaliges. Er hatte sogar schon daran gedacht, sich komplett neu zu erfinden, von Grund auf umzukrempeln, ein völlig anderer zu werden. Aber er hatte keinen Ansatzpunkt gefunden, traute sich nicht recht. "Wenn ich nicht mehr dieses, sondern ein anderes Ich bin, bin ich dann überhaupt noch Ich oder ein Unich?" fragte er sich.
Da las er die Annonce im Wochenblatt, die ihn dazu gebracht hatte, sich jenes Geschenk zu wünschen. Und jetzt stand er mit diesem verflixten, nutzlosen Ding in der Hand da. War er zu dumm, um die Anleitung zu verstehen oder war da ein Fehler im Text?
Aber vielleicht war er auch betrogen worden. Allerdings hatte der Verkäufer in seinem Inserat geschrieben, es sei Originalware, echt und einmalig, garantiertes Einzelstück.
Frustriert stellte er seine Versuche ein, legte sich hin, zog die Bettdecke über den Kopf und dachte kurz vor dem Einschlafen daran, das Geschenk an die Postfachadresse zurückzusenden. Vielleicht hätte er sich doch lieber Houdinis Hut wünschen sollen anstelle von Harry Potters Zaubermütze.
Verwendung
Ein kleines Geheimnis tief versteckt
im zwischen uns schwören wir
unser Schweigen geht niemand etwas an.
Die Sonne klagt in unsere Nächte
weint sich der Mond in den Tag
hinein trägt sich die Stille auf
deine Lippen zeugen keine Spuren.
Regeln verderben bloß das Spiel
ist noch lange nicht aus und vorbei
die Zeiten der Wunden für dich.
Mittwoch, April 02, 2008
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