Freitag, Oktober 05, 2007

Im Geschaeft



Im Geschäft

Ich bin seit zehn Jahren Frührentner, meinen gelernten Beruf des Hausmeisters kann ich wegen einer Erkrankung an multipler Unpersönlichkeit nicht mehr ausüben. Auch andere Arbeiten kann ich nicht mehr ausführen, da ich mich ständig ausschließlich damit beschäftige, das Verhalten und die Ideen anderer zu kritisieren. Meiner Störung geschuldet, gehen diese Beanstandungen sehr tief und sind grundsätzlich gegen alles gerichtet. Sollte mir trotzdem einmal etwas gefallen, so hält dies nicht lange vor, da ich es nicht mit mir aushalte, wenn ich zufrieden bin. Freunde habe ich keine und von der Verwandtschaft wurde ich verstoßen.
So ging es mir eigentlich gut, ich trieb mich in Foren herum, trollte, was die Tastatur hergab, schrieb böse Leserbriefe an Zeitungen und vergnügte mich damit, alles schlecht zu finden, was mir gefallen könnte. Das einzige, was mich störte, war meine minderwertige Umgebung, die ständig nur mit der Schaffung von Ordnung beschäftigt war: Treppenhaus und Fenster putzen, Gartenarbeiten etc. Ich stellte mir vor, in einer Stadt wie New York ungestörter leben zu können, ja dort vielleicht so etwas wie Umgang zu finden, da diese Stadt bekanntlich von Gestörten wimmelt. Um dieses Vorhaben ausführen zu können, fehlte es allerdings erheblich an Geld, Frührenten sind nicht gerade üppig. Meine Versuche, über das Lottospielen an ausreichend Bares zu gelangen, scheiterten daran, dass ich immer eine Zahl zu weit links tippte. So hatte ich regelmäßig sechs unrichtige, knapp zwar, aber erfolglos. Mein Versuch, anderen durch Verkauf der von mir gewählten, also aussichtslosen, Zahlen zu einer höheren Gewinnchance zu verhelfen, scheiterte an Desinteresse. Durch Nachdenken kam ich schließlich darauf, dass es in diesem Staat grundsätzlich nur zwei Methoden gibt, reich zu werden: Glück oder Verbrechen. Ersteres wollte mir nicht zufliegen, also begann ich, das kriminelle Gebiet zu sondieren, welches mir gefühlsmäßig nahe liegt.
Vier Felder gab es, auf denen ich ackern wollte: Waffen-, Drogen-, Frauen- und Kunsthandel. Nun war klar, dass es einiges an Konkurrenz gab, die verhältnismäßig schwer zu beseitigen sein würde. Eine Waffe erstand ich preiswert im Bahnhofsvorplatzhandel, eine Smith & Wesson, die mir heute noch lieb ist. Da ich aus dem Internet hauptsächlich mies gelaunte Leute kannte (und noch kenne), war mein erstes Geschäft ein virtuelles. Um an genügend Kapital für einen Waffenhandel zu kommen, bot ich mich als Auftragsmörder an. Meine Reklamespruch "Doppelt so tot zum halben Preis" brachte mir sofort einige Aufträge ein, die ich zur Zufriedenheit aller Beteiligten abwickelte. Nach einem halben Jahr und ca zwanzig Auftragsmorden stellte ich einen Geschäftsführer ein und überließ das Handwerk Experten aus dem ehemaligen Ostblock, die für erstaunlich geringen Lohn zu arbeiten bereit waren. Mit den Überschüssen kaufte ich Waffen da, wo sie besonders günstig zu bekommen waren, Afghanistan, Russland und im Libanon und verkaufte sie da, wo die Nachfrage am größten war, im Irak und in Amerika. Die Konkurrenz ließ ich von meinen Killern ausschalten, bei meinen Lieferanten erwarb ich einen Ruf als härtester Kotzbrocken östlich des Bosporus' und meine Kunden stellte ich immer zufrieden. Nach einem Jahr geschäftigen Handels hatte ich genug Kapital für Stufe zwei: Drogen. Von meinen Partnern im Waffenhandel erhielt ich Adressen von Drogenbaronen, die bereit und fähig waren, bis zur Haustür zu liefern. Da ich zu der Zeit der einzige war, der zuverlässig schwarzen Afghanen, roten Libanesen und Rohopium liefern konnte (die Konkurrenz, soweit sie noch lebte, traute sich nicht mehr vor die Tür), lief das Business ausgezeichnet. Ich richtete einen kleinen Betrieb ein, um das Opium zu Heroin veredeln zu lassen, kaufte von den nicht unbeträchtlichen Gewinnen größere Mengen Kokain und begann, dieses an Politiker und Manager zu verteilen, um mir einen größeren Kundenkreis zuzulegen. Besonders erfolgreich war meine Idee der Dope-flat: Breit wie tausend Haschischin für kleines Geld. Schließlich weiß man in gehobenen Kreisen, dass man nicht wohlhabend wird, indem man viel verdient, sondern indem man wenig ausgibt.
Schließlich begann ich, meine Aktivitäten auszuweiten auf den Bereich, der mir persönlich am meisten zusagte, den Frauenhandel. Hier war die Konkurrenz allerdings ausgesprochen zäh, man glaubt gar nicht, auf was man sich einlässt im Kampf gegen albanische und russische Familienclans. Ich begann daher, die Ware in heruntergekommenen Industriebrachen in England und Belgien zu beschaffen und nannte in kurzer Zeit einige florierende Etablissements mein Eigen. Meine Geschäftsidee: Lerne Sprachen im Bett. Englisch und französisch liefen gut, aber vom flämischen Teil meiner Belegschaft musste ich mich, wegen Erfolglosigkeit, bald trennen.
Nachdem der größte Teil der Gegner inzwischen ausgeschaltet war, ließ ich meine Pistoleros zu Einbrechern, Fachrichtung Kirchen und Museen, umschulen. Ein Diplom der Ganovenschule Pankow kommt in einschlägigen Kreisen dem Rang eines Harvard-Abschlusses gleich. Leider war der Wert und damit der Preis der erbeuteten Kunstwerke so beträchtlich, dass ich selbst unter den begüterten Kunden meines Drogen- und Frauenzweigs kaum noch Abnehmer fand. So kam ich auf die Idee: Rent a Dürer. Für einen relativ geringen Betrag überließ ich Bilder und Skulpturen, deren Beschaffung "on demand" zu organisieren kein Problem war.
Inzwischen habe ich mich aus dem operativen Geschäft zurückgezogen. Fähige Mitarbeiter, die eine gleichzeitig großzügige Bezahlung wie eine hohe Mortalitätsrate bei Versagen zu Höchstleistung bei niedrigem Krankenstand motivieren, sichern das Gedeihen meiner kleinen Geschäftskette. Von meinem Penthouse in der 52nd Street, New York, betrachte ich angewidert das Gewusel des Pöbels auf der Strasse und überlege, auf welchen Gebieten ich noch tätig werden könnte. Fälschungen in großem Stil, das wäre vielleicht noch was.

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