Montag, Mai 30, 2005


Ombiin aus Amsterdam

Geschichte einer Sucht

Es fing so harmlos an. Ein Freund empfahl mir Ombia Med, ein preiswertes, über Aldi zu beziehendes Produkt zur gründlichen Körperreinigung mit extra pflegender Rezeptur. Ich erstand eine Flasche der seifenfreien Wasch-Lotion, zum unschlagbaren Preis von unter 2 Euro. Hätte ich damals schon gewußt, was ich heute weiß...
Die ersten Wascherlebnisse waren sensationell, der natürliche Säureschutzmantel meiner Haut wurde gründlichst stabilisiert. Ich fühlte mich hautmild gepflegt und ausreichend mit Protein-Bausteinen versorgt.
In dieser frühen Phase muß es passiert sein, daß ich, während eines Ausbruchs selbstverliebter Ekstase, etwas des feinporigen, weichen Schaums inhalierte.
Obgleich ich die Packungsaufschrift gelesen hatte und mich auch sonst ausreichend über Protein-Derivate, spezielle Feuchthaltefaktoren und Pflegesysteme informiert wähnte, war ich in keinster Weise auf das folgende Erlebnis vorbereitet. Ich fühlte mich über die Maßen glatt, geschmeidig und gereinigt Ich wähnte mich als weiße, ovale Plasikflasche mit türkisem Deckel, eins mit den kosmischen Schwingungen. Ich war dermatologisch getestet.
Mitten in der darauf folgenden Nacht erwachte ich verschwitzt, ungepflegt und mit dem dringenden Verlangen nach einer Dusche - aber nicht ohne mein Ombia Med.
Es war der bei den Inhaltsstoffen nicht erwähnte, perfide Stoff Ombiin, dem ich, wie schon so viele vor mir, zum Opfer gefallen war. An und für sich harmlos, entwickelt er seine verheerende Wirkung erst beim Einatmen.
Ich begann, mein gesamtes Vermögen zu zerseifen. Zum Glück war der Stoff recht preiswert, doch stellten die von mir in stetig erhöhtem Maß benötigten Dosen mein Konto auf eine derart harte Probe, daß ich schließlich das Familienvermögen in Flaschen umsetzte. Es kam, wie es kommen mußte, ich begann, Mütterlein beim Verlassen von Aldi zu überfallen, um in ihren Einkaufstaschen nach dem so dringend benötigten Stoff zu suchen. Ombiin, it’s my wife and it’s my life, das war der tune, zu dem ich damals tanzte.
Einer der gefürchteten und in der Literatur bestens bekannten Nebeneffekte einer Ombiin-Abhängigkeit ist der sich stetig steigernde Geiz der Befallenen. Zuerst stoßen diese armen Wesen (zu denen auch ich mich zu zählen habe-ich bin noch lange nicht seifenfrei) alles ab, was sie am Baden oder Duschen hindert- Ehemänner, Ehefrauen, Kinder, Haustiere und Nachbarn werden obsolet. Das Einzige, was zählt, ist eine volle Flasche Ombia Med und der Besitz des Badezimmerschlüssels.
Schließlich stellte Aldi Süd den Vertrieb des so überaus erfolgreichen Produkts ein, da die öffentliche Kritik zu laut geworden war. Aldi Nord folgte wenig später. Ich besuchte den Kurs „Selber Seifen“ der Volkshochschule, doch wollte mir die rechte Zusammensetzung nicht gelingen. Zudem ließ sich Ombiin nur noch als teurer Schwarzimport aus China beziehen, wo es aus den Nebennierenrinden frisch Hingerichteter extrahiert wird. Leider ist dieses Produkt nicht nebenwirkungsfrei. Der harmloseste Effekt ist das ständige Gefühl, eine Binde um die Augen zu tragen. Ich begann, bullige Scharfrichter und glänzende Schwerter zu halluzinieren.
Die Niederlande mit ihrer laxeren Drogenpolitik boten den Stoff weiter an, so daß ich regelmäßige Einkaufsfahrten begann, anfangs zur Selbstversorgung, doch recht bald begann ich, zu verkaufen. Die Geschäfte liefen gut, bald konnte ich drei Aushilfen auf 420 Euro-Basis beschäftigen und begann, von einer eigenen Fabrik zur Herstellung von Ombiin zu träumen, irgendow im Marokkanischen Rif-Gebirge. Was ich nicht bedacht hatte, war die Konkurrenz. Da es nur noch vier Gebiete gibt, auf denen man echt Knete machen kann , ohne bereits im Vorfeld über Geld zu verfügen, ist es gängige Praxis, andere zu verpfeifen. Meine schönen Phantasien vom Ausweiten meiner Geschäftstätigkeiten aus dem Drogenhandel in die Bereiche Waffen-, Frauen- und Kunsthandel wurden jäh gestoppt.
Zu meinem eigenen Glück - wie ich erst später verstand - wurde ich auf der Autobahn Arnhem-Duisburg von den lobenswerten Truppen unseres Innenministers aus dem Verkehr gezogen - mit 1200 Flaschen undeklarierten Ombia-Meds im Kofferraum. Meine Karriere als Schmuggler und Dealer war beendet,ich war nur noch ein Schatten meines früheren Selbst – wenn auch ein sauberer.
In kurzer, aber fairer Verhandlung zu einer fünfjährigen Haftstrafe auf Bewährung verurteilt, befinde ich mich jetzt, nach einer langwierigen, Ph-milden Entgiftung , im offenen Entzug. Noch muß ich in Reinigungsmittelfreien Geschäften einkaufen, da schon der Anblick einer Flasche Lenor mir unsägliche Schmerzen bereitet, doch bin ich guter Hoffnung.
Gestern gelang es mir zum Ersten mal, meine Hände nur mit Wasser zu waschen. Schon bald, so machen mir die Betreuer Hoffnung, werde ich nicht mehr ständig daran denken, wo sich wohl das nächste Schwimmbad befindet. Zur Abhärtung unternehme ich ausgedehnte Bus-und Bahnfahrten, vorzugsweise zur Hauptverkehrszeit an heißen, regnerischen Tagen, stelle mich neben Dicke, die - rechte Hand am rechten Griff - ihre Botschaften ausdünsten und atme so tief als möglich ein. Morgen geht es in den Zoo, ein Besuch des Iltis-Käfigs und gemeinsames Schlammbaden mit Hängebauchschweinen stehen auf dem Programm.
Im Sommer dann folgt als Abschluß der Therapie eine vierwöchige Wanderung durch die Sahara, ohne Waschwasser und Waschlotion. Sollte es mir gelingen, diese harte Prüfung zu bestehen, gibt es Aussicht auf eine Anstellung in der städtischen Kläranlage. Ich beginne mich langsam darauf zu freuen, mein Leben wieder in geregelten Bahnen hinter mich zu bringen.
Ob es in Lybien wohl Aldi gibt?

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