Virtuelle Schublade für Bilder, Gedichte, Geschichten, Links und Zeug. Impressum: Rolf Menrath, Scheffelstr. 28, 47057 Duisburg, D
Freitag, Juni 05, 2009
Schatzsuche
Wir drangen immer tiefer in den uralten Wald vor, geführt von einem Einheimischen, ohne dessen Hilfe wir schon lange rettungslos verloren wären. Es gab keine Wege, nur Farne, Sträucher und riesige Bäume, deren dichtes Blätterdach kaum einen Lichtstrahl durchscheinen liessen. Überall tönte Leben, ein ständiges Surren, Pfeifen und Heulen, das besonders nachts beängstigend wirkte. Je weiter wir voran kamen, desto ängstlicher wurde unser Führer, schaute sich ständig um und zuckte bei jedem knacken eines Zweiges zusammen.
"Das ist kein guter Ort" hatte man uns im letzten Dorf am Rande des Dschungels gewarnt, "böse Geister überall." Egal, wir glaubten nicht an Spuk und Hokuspokus, uns zog die Suche nach der Wahrheit hinter uralten Legenden. In einer Handschrift aus dem fünfzehnten Jahrhundert hatte ich eine Karte gefunden, mit einem X an der Stelle, auf die wir uns stetig zubewegten. Hier sollte sie sein, die goldene Stadt, voll unermesslicher Schätze, geheimer Inschriften und nie gesehener Wunder. In der gewaltigen Thronhalle hatte damals der allmächtige König geherrscht und nach Menschenhirnen verlangt, um sie rituell zu verspeisen. So lauteten jedenfalls die Sagen, aber aktuell beschäftigten uns mehr die Mücken und anderen Blutsauger, die mit jedem Schritt in den Urwald an Größe zuzunehmen schienen.
Am Morgen des vierten Tages kamen wir zu einer Lichtung, in deren Mitte mehrere Statuen standen, die im Zwielicht zu leuchten schienen. Ein schwarzes Leuchten war es, wie Holz, das Dunkelheit ausstrahlt, ähnlich der Grillkohle. Unser Führer wurde aschfahl, stieß einen lauten Schrei aus und brach zusammen. Es gelang uns nicht, ihn wieder zur Besinnung zu bringen, seit drei Tagen und Nächten schleppt er sich auf Händen und Knien um die Lichtung und stösst dabei unverständliche, kaum mehr menschlich zu nennende Laute aus. Wenigstens hält dies die wilden Tiere fern, die wir nachts in den Bäumen hören.
Der Rückweg bleibt uns versperrt, die Vorräte gehen zur Neige und zu trinken haben wir nur die Feuchtigkeit, die von den Bäumen tropft. Gesten früh erschien eine Gestalt am Rande des Dschungels und beobachtete uns stundenlang. Schließlich winkte sie und Wilhelm, der schon immer schwache Nerven hatte, folgte ihr wie eine Marionette. Er murmelte ständig etwas von "Holz holen, schwarzes Holz holen, Kohlen für die Glut holen" und verschwand zwischen den Büschen. Wir haben nichts mehr von ihm gehört und warten voller Angst darauf, dass der Schemen wieder erscheint und den nächsten von uns zu sich ruft.
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