Virtuelle Schublade für Bilder, Gedichte, Geschichten, Links und Zeug. Impressum: Rolf Menrath, Scheffelstr. 28, 47057 Duisburg, D
Samstag, Mai 23, 2009
küsten
wir hatten lust auf meer
muskel am werk und durst
auf vernünftige luft an klaren farben
tönten nah an sicht gebaute möwen
durch ein watt zu wandern wäre wunderbarer
hunger hinter hügelkuppen
strömten blumen stummen duft
verliebten wir den abend
vorerst grundlos
Dienstag, Mai 19, 2009
dann
Hörr Wagner
Nacht mit Kinski
Wir schleppten uns schon seit zweit Tagen und Nächten durch das Naturschutzgebiet Bayrischer Wald. Irgendwo waren wir vom Weg abgekommen und kletterten seitdem über umgestürzte Baumstämme, schlitterten Hänge hinab, wurden nass beim Durchqueren eiskalter Bäche, zerstochen von Mücken und hungrig. Mein Handy hatte ich im Zelt vergessen, Frank lehnte mobile Telephonie grundsätzlich ab. Er wollte sich nicht über Funk kontrollieren lassen, meinte er, nicht ständig für jeden Idioten erreichbar sein. Als der dritte Morgen anbrach, begann er seine Meinung über die Schönheit unberührter Natur zu revidieren, fluchte über jeden Stock und Stein, begann, die Bäume zu beschimpfen und die Sonne, die sich anschickte, auch heute wieder unbarmherzig von einem klaren Himmel herabzubrennen.
In der Nacht hatten wir merkwürdige Geräusche gehört und gemeint, ein blasses Gesicht in den Büschen gesehen zu haben. "Klar, Vollmond, Zeit für Nosferatu", hatte ich gescherzt, aber Frank fand das überhaupt nicht witzig. Er hielt mir einen stundenlangen Vortrag über Graf Dracula und dessen Freude am Pfählen, bis wir mittags eine Uferböschung erreichten, an der wir Rast machten. Ich schlief vor Erschöpfung ein und träumte, dass wir zu einem Multiplexkino kämen, mitten im Wald. Auf riesigen Plakaten wurde die Uraufführung von "Für ein paar Leichen mehr" angekündigt. Ein Zwerg mit Froschmaske sprang aus dem Gestrüpp und schrie: "Nobody ist der Größte! Adios Companeros"!
Schweißgebadet erwachte ich und hörte Frank stöhnen: "Ich bin so wild, so wild, so wild nach deinem Erdbeermund". Er erhob sich und begann, mit ausgestreckten Armen auf mich zuzutorkeln, worauf ich mich umdrehte und panisch in den Wald zurücklief.
Jetzt ist wieder Nacht und ich höre das Murmeln der Bäche, Eulenrufe, Nebel zieht auf und verhängt den vollen Mond. Ich habe mich mit Laub und Zweigen getarnt und warte zitternd darauf, dass das Dunkel vergeht. Ganz nahe höre ich ein Hecheln, Keuchen, schwere Schritte. Etwas kommt auf mich zu und ich will nicht wissen, was es ist.
"So wild...so wild...unheimlich und wild...dein Erdbeermund, so heiß". Rettet mich!
Wuttke 2
Es klingelte. Es klingelte wieder. Es klingelte Sturm. Er versuchte, das verdammte Drring-Drring wegzuträumen, tauschte es gedanklich gegen Big Ben. Nichts zu machen, jetzt hämmerte es auch noch gegen die Tür. "Wuttke, aufmachen, ich weiß sie sind da", eine Stimme wie ein Vorschlaghammer.
Die Augen auf einen festen Punkt richten, linke Hand ans Tischbein, mit der rechten die Tischkante erreichen, langsam hochziehen (warum landet man immer unter dem Tisch?), stehen lernen, gehen lernen. Langsamer Fortschritt Richtung Tür, hastiges Stolpern über was liegt denn da im Weg? Neue Übung, rechte Hand an rechtes Stuhlbein, linke auf die Sitzfläche und es klingelt und klopft immer noch.
Tausende Orks schlugen an seine Schädeldecke und grölten den Chor der sieben Zwerge: "Hi-hoo, Hi-Hoo". Irgendwas war in der Nacht in seinen Mund gekrochen, um dort zu verwesen und hatte, als Nebeneffekt, die gewohnten Raumdimensionen verschoben. Er schob sich an der Tür hoch und spähte durch den Spion. Draußen sah er Dantes Inferno, Kreaturen aus den Visionen von Bosch und Breughel. Gehörnte Dämonen, verzerrte Fratzen und vorneweg seine Vermieter, das Ehepaar Bluchnig-Voigt, dahinter die schäbigen Schrapnells aus der dritten und vierten Etage, bereit zum letzten Gefecht. "Ja wassn wassn"? rief er, "wassn los"? "Tür auf"! schrie es von draußen. Zum Teufel, dachte Mike, ich öffne doch nicht für Zenobiten, doch da brach die Hölle los. "Wissen sie eigentlich, was sie letzte Nacht getan haben? Nackt im Fenster gestanden und gebrüllt, wir sollten uns zur Arbeit scheren und das um halb sieben und dann noch leere Flaschen auf Autos werfen", grölte es auf dem Flur, "das ist zu viel. Wir kündigen ihren Mietvertrag".
"Ja, is gut, gerne später mehr", rief er und versuchte, Richtung Bett zu gelangen. Das Schellen verstummte, Getrappel, Gemurmel im Hausflur, wo war eigentlich Susanne? Langsam verzogen sich die Nebel, wenn auch noch lange nicht alle. Walter's Pommes-Paradies, ok, da hatte er sie liegengelassen. Und dann, ja klar, hatte er Erwin getroffen. Im Durst-Stübli und Erwin Kalusche, der geniale Erfinder, hatte einen ausgegeben, eine Flasche Campari, er feierte die Patentierung seiner neuesten Erfindung, der Kaluschnikoff. "Du musst dir das so vorstellen", hatte er erklärt, "ein auf eine hohe Stange montiertes Maschinengewehr, das im dreihundertsechzig-Grad-Winkel schießen kann. Man weiß ja heute nie, wo der Feind steht und friendly fire ist auch gleich drin". Später, viel später, waren sie im "Old Mummy" gelandet, dem einzigen Schuppen, der schon seit dreißig Jahren progressive Rockmusik spielt. Dort waren sie zu Pastis gewechselt und Mike hatte sein Leid geklagt, über Susanne, die nie zufrieden war. "Dabei hab ich sie einen Geschirrspüler gekauft und die Waschmaschine is auch fast neu aber zufrieden? Zufrieden is sie nie und immer am meckern und gestern hab ich extra für Geburtstag ein Gedicht geschrieben, hömma:
Ich mag an meiner Alten
das graue Haar, die Falten.
Und ihren kleinen Bauch,
den mag ich auch.
Und die nur am Meckern und dabei hab ich extra ein Kurs belegt, Selber schreiben in dreizehn Stunden, VHS".
Irgendwann musste er sich dann heimwärts begeben haben. Den Kratzern am rechten Ärmel seiner hellbraunen Lederjacke nach von links. Scheiße, sogar ein paar Fransen waren ab. Wieso hatte er eigentlich noch die Jacke an und sonst nichts?
Er machte sich vorsichtig auf den Weg Richtung Kochnische, öffnete den Kühlschrank und erstarrte.
OT
Aus Licht Mauern bauen, alle Lampen einschalten und in jeden Winkel richten. Den Schatten keine Chance lassen und Geräusche, Töne, Laute sind wichtig, Musik, den Fernseher einschalten, Wasser laufen lassen. Immer in Bewegung bleiben, in Deckung, den Rücken zur Wand. Die Hände leicht erhoben, die Knie gekrümmt, bereit zur Abwehr. Augen auf und die Sinne schärfen, keinen Moment unaufmerksam sein, keine Schwäche zeigen. Und Kaffee, mehr Kaffee, so viel, bis die Sicht klar wird, der Kopf frei, der Schwindel verfliegt.
Die Fenster verriegelt, die Vorhänge zugezogen, die Tür verschlossen und alles, was sich zur Waffe machen lässt, liegt griffbereit. Sie sind da draußen, sie lauern und warten auf ein Nachlassen, eine kurze Unaufmerksamkeit und sie fallen über ihn her, dringen in ihn ein, unterwerfen ihn. Sie wollen ihn zum Opfer machen, ihn versklaven für immer.
Kein Gedicht
Hier stünde wohl
ein schönes Gedicht,
mit hinkenden Jamben.
Und Versen,
die in drallen
Kadenzen aufeinanderprallen.
Wie gesagt, stünde,
doch steht es hier nicht.
Wenn ich es fünde,
dieses Gedicht!
Ich hab es verdichtet
wohl tausend mal,
metrisch gerichtet,
es war eine Qual.
Doch als es fertig war zum Schluss,
es zu lesen - ein Genuss.
Das Versmaß streng. Es transzendierte
hexametrisch inspirierte,
silbenzählend aufpolierte -
ach, mein Herz wird eng.
Denn ich hab es
verbummelt, verlegt und
verkurmelt.
Jetzt liegt es irgends rum
und murmelt.
Von Trochäen und Daktylus,
anapästischem Knittelversschluss -
welch ein Verdruss!
Oh, wüsst ich nur wo,
wo es wohl ist,
ich wäre froh,
ich armer Skribist.
Dann stünde hier
ein schönes Gedicht -
doch, wie man sieht,
steht es hier nicht.
Abwärts berühren
Das könnte dir so passen:
ein Opferjäckchen aus Unschuldslamm,
Einwegsonnenbrille,
die Betroffene besoffen macht.
Schuh gegossen aus Stahlbeton,
ein Kranz von Kraut um hohe Stirn,
dazu ein Papperlappenhemd.
& immer müssen Köpfe fallen
in Körbe. Hängt sie höher auf,
sagst du ins Mikrophon weil sonst
versteht dein Rudel alles richtig.
Streifen laufen Wege ab für gut ist.
Brief
Geliebte Tochter,
ich schreibe dir in der Hoffnung, dass dieser Brief dich auf Umwegen erreicht. Hier in Timbuktu ist die Post nicht besonders zuverlässig, aber ein Kamerad hat versprochen, die Nachricht beim nächsten Heimaturlaub einzuwerfen. Die Arbeit ist hart, unerträglich brennt die Sonne vom Himmel und wir müssen doch, ob wir können oder nicht, unsere Pflicht erfüllen. Lass dir nie erzählen, dass der Dienst beim Militär erträglich sei. Bitte, geh zur Schule und studiere. Frag Mama, ob ich euch irgendwie etwas zukommen lassen kann, mein Sold ist karg, aber ich kann hier nicht viel ausgeben.
Ich schreibe, um dir zu erklären, wie es zu allem gekommen ist. Bitte glaube nicht, was du in den Medien über mich liest oder hörst, davon stimmt kein Wort oder nur das wenigste. Wie du weißt, war ich Vertreter für Ankerketten (ein überaus erfolgreicher, übrigens) und bereiste in dieser Eigenschaft das Ruhrgebiet. Es fiel mir nicht leicht, so oft von euch getrennt zu sein, die Arbeit ging vor.
Jedenfalls war ich am Morgen des achten Juli 2006 frühmorgens unterwegs zur Hauptniederlassung der vereinigten Ankerwerke Kettwig, um das neue Modell "Sicherer Hafen" vorzustellen, ein verschleißfreies Gleitkettenprodukt. Auf der Mintarder Ruhrtalbrücke, Teilstück der Autobahn 52, löste sich eine Deutschlandfahne vom Fahnenhalter im rückwärtigen Seitenfenster des vor mir fahrenden Fahrzeugs und flatterte auf die Fahrbahn. Ich wollte sie aus Respekt vor unseren Nationalfarben nicht überfahren und trat hart auf die Bremse (wie du weißt, bremst ein Audi gut), brachte damit einen hinter mir sich befindlichen Gefahrgutlaster zum Schlingern, welcher das Brückengeländer durchbrach, auf ein mit Schwarzpulver beladenes Schiff fiel, das in Brand geriet, steuerlos auf Mülheim a.d. Ruhr zufuhr, dort explodierte und die halbe Stadt in Brand steckte.
Der Schaden ist unermesslich, aber, wie du siehst, ich konnte nichts dafür. Leider werde ich immer noch gesucht und jetzt habe ich keine Zeit mehr. Bitte schreibe mir zurück (der beiliegende Plan sagt dir, wie) und grüße Mama.
Bis (hoffentlich) bald,
Papa
nacht der musen
leerbehälter plastik/glas egalweg in taschen
tüten vorderhand an mündern kleben
himmelssammler staunen weit offen strömen
bilderfigurinen zur bolkerstr.
heine deephouse chillout classic an fassaden
nicht berühren hinter weißen streifen
ausgerahmt in rahmen gefallen wie gestört
gefunden/kinderbilderbücher schwitzen bigos
in zwei sprachen konstruiert aus farbenfrohem
schatz kein bier mehr für den heimweg mit der bahn
Freitag, Mai 08, 2009
Gesprächspartner
Wie jeden Morgen fährt der moderate Taliban
mit dem Jihad 500 ins Büro. Er trägt
den feschen Turban Marke Ali Boss,
und träumt vom neuen Mahmud-Benz-Coupe.
Sein Job ist schwer, er soll aus tausendeins Verboten
fünfhundertundeinhalbes machen, dabei keines ändern.
Zum Mittagessen gibt es Dialog mit Reis,
Frank-Walter kommt vorbei. Der Rest ist für die Kinder.
Natürlich können Frauen lesen. Den Koran
gibt es im Dünndruck auch für Damentäschchen.
Die jüngste Tochter dürfte manchmal in die Schule gehen,
wenn er denn eine fände, die nicht gerade brennt.
Man köpft in Zukunft halb und hängt ein wenig auf,
mit Kieselsteinchen wird ab jetzt geworfen.
Die Zweitfrau soll zumindest dreizehn sein,
man ist ja schließlich ziemlich moderat.
Dienstag, Mai 05, 2009
Ruinen to go
Ratten rasen in Kanälen,
stürzen Häuserzeilen ein,
pfählen Worte wie Gedanken,
Schranken fallen aus der Zeit.
Land, da Mauern Früchte tragen,
langer Marsch zur kurzen Tat,
Fragen billig einzukaufen,
raufen Reste Seit' an Seit'.
Ihrer Pflicht zu siegen leben,
Finger fest am Feuerknopf,
streben Horden zu Gerippen.
Lippen, seid zum Sturm bereit.
Freitag, Mai 01, 2009
Version
Wir singen am Strand, schmeißen Verachtung auf Steine,
du hebst zwei Zeigefinger, knippst Sternenbilder aus.
Gelangweilt jede Welle von immer gleichen Geschichten,
hin/her, auf/ab.
Ich schwör, dass ich nur Wahrheit lüge,
tönt ein überschminkter Mond. Fixier ihn mittig auf die Gischt,
ziehe rote Linien durch kulturelle Überreste.
Wir drehen Winden Hälse um, vorwärts wie nie,
und wenn ein Engel aufscheint, munter sind
mit Flammenwerfern Flügel weggebrannt.
Klare Ansage
re:
Wuttke 1
O.T.
"Tu mich das mal scharfmachen", sagte Mike und schob die Pappschachtel zurück über den Tresen. Wortlos kam die Bedienung seinem Wunsch nach und er wankte zu einem der drei Stehtische. Die Bude war voll, in der hinteren Ecke, über dem blinkenden und dudelnden Geldspielgerät, das eben erst eine größere Menge Kleingeld ausgespien hatte, hing ein Fernseher. Die Farben waren unscharf wegen der fettigen Dünste, der Ton verzerrt. Irgendein Musiksender, irgendeine Musik. "Mach den Mist leiser", schrie er in Richtung Grill, "da werden ja die Pommes panne." Seine Begleiterin Susanne, eine in die Jahre gekommene Königin der Nacht, angelte sich ein fettiges Stäbchen aus der Schale, stippte es in Soße und Majo und schob es zwischen ihre zu grell geschminkten Lippen. "Jessas", ächzte sie, "das ist ja Säure." Sie begann zu husten und lief rot an. Ihr Kavalier, Mike Wuttke, hielt ihr seine Bierflasche hin. Gierig trank sie, setzte ab und bekam Schluckauf. Ihre Augen tränten derart, dass die Wimperntusche verlief. Schöner wurde sie dadurch nicht. "Ey, Walter, wat hastu denn da für ein Mist draufgeknallt?" rief Mike und pumpte sich bedrohlich auf. Walter antwortete, sichtlich unbeeindruckt: "Du wolltest scharf, jetzt hasse scharf. Ne neue Marke, irgendwas aus Thailand. Is nich scharf genug?"
Susi begann sich inzwischen aufzulösen, feine Dünste stiegen aus Ohren und Mund, die Augen quollen hervor, sie hielt sich krampfhaft am Tisch fest und fiel schließlich mit diesem um. Pommes, Currywurst, Soße, Majo und Bier landeten auf ihrem Kostüm. "So ein Dreck", knurrte Mike, "jetzt sind die Fritten hin. Walter, nochmal rot-weiß, aber tu mal richtig scharfmachen. Und räum den Mist hier weg."
Abonnieren
Posts (Atom)