Dienstag, Mai 19, 2009

Nacht mit Kinski





Wir schleppten uns schon seit zweit Tagen und Nächten durch das Naturschutzgebiet Bayrischer Wald. Irgendwo waren wir vom Weg abgekommen und kletterten seitdem über umgestürzte Baumstämme, schlitterten Hänge hinab, wurden nass beim Durchqueren eiskalter Bäche, zerstochen von Mücken und hungrig. Mein Handy hatte ich im Zelt vergessen, Frank lehnte mobile Telephonie grundsätzlich ab. Er wollte sich nicht über Funk kontrollieren lassen, meinte er, nicht ständig für jeden Idioten erreichbar sein. Als der dritte Morgen anbrach, begann er seine Meinung über die Schönheit unberührter Natur zu revidieren, fluchte über jeden Stock und Stein, begann, die Bäume zu beschimpfen und die Sonne, die sich anschickte, auch heute wieder unbarmherzig von einem klaren Himmel herabzubrennen.
In der Nacht hatten wir merkwürdige Geräusche gehört und gemeint, ein blasses Gesicht in den Büschen gesehen zu haben. "Klar, Vollmond, Zeit für Nosferatu", hatte ich gescherzt, aber Frank fand das überhaupt nicht witzig. Er hielt mir einen stundenlangen Vortrag über Graf Dracula und dessen Freude am Pfählen, bis wir mittags eine Uferböschung erreichten, an der wir Rast machten. Ich schlief vor Erschöpfung ein und träumte, dass wir zu einem Multiplexkino kämen, mitten im Wald. Auf riesigen Plakaten wurde die Uraufführung von "Für ein paar Leichen mehr" angekündigt. Ein Zwerg mit Froschmaske sprang aus dem Gestrüpp und schrie: "Nobody ist der Größte! Adios Companeros"!
Schweißgebadet erwachte ich und hörte Frank stöhnen: "Ich bin so wild, so wild, so wild nach deinem Erdbeermund". Er erhob sich und begann, mit ausgestreckten Armen auf mich zuzutorkeln, worauf ich mich umdrehte und panisch in den Wald zurücklief.
Jetzt ist wieder Nacht und ich höre das Murmeln der Bäche, Eulenrufe, Nebel zieht auf und verhängt den vollen Mond. Ich habe mich mit Laub und Zweigen getarnt und warte zitternd darauf, dass das Dunkel vergeht. Ganz nahe höre ich ein Hecheln, Keuchen, schwere Schritte. Etwas kommt auf mich zu und ich will nicht wissen, was es ist.
"So wild...so wild...unheimlich und wild...dein Erdbeermund, so heiß". Rettet mich!

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