Sonntag, November 25, 2012

Anthropozentrismus






Ein Mensch, irgendein Mensch, geht eine Straße entlang, irgendeine. Es ist ein milder Abend, keine Ursache zu hetzen oder zu eilen, vielleicht ein etwas zügiger Schritt, vielleicht hat die Bäckerei um die Ecke keine Biobrötchen mehr, man müsste zur konventionellen Ware greifen, kein großes Problem, nicht wirklich lebensverkürzend wie neulich der Notstand beim Metzger, nach Ausfall der kontrollierten Kühlkette gab es nur noch Dauerwurst und was die mit einem macht weiß jeder, der sich gegen die Macht der Konzerne stemmt. Deren Kreuzzug gegen unsere Körper ist bekannt, schließlich sterben täglich Menschen daran, dass sie Nahrung zu sich genommen haben. Essen tötet, das weiß inzwischen jeder.
Die letzte echte Beziehung, die ich zu einer Pflanze hatte, war die zu einer Agave auf meiner Fensterbank. Zu der Zeit dachte ich uns in einer gleichberechtigten Beziehung, aber heute weiß ich, ich habe dominiert. Ich habe bestimmt, wann es Wasser gab, Dünger oder frische Erde, wann das Fenster geöffnet wurde oder die Jalousie hochgezogen. Ich war ein Sklavenhalter, nicht besser als die Korsaren des Mittelmeers, die arabischen Sklavenjäger, die kaltherzigen holländischen Händler: ich schnitt die Agave, ich beutete sie aus, ich erntete ihren heilenden Saft.
Also befreite ich die Pflanze, pflanzte sie aus, gab ihr alle Möglichkeiten, selbstbestimmt zu blühen und zu wachsen, die Welt mit ihren Nachkommen zu überziehen und sie zu bereichern. Leider überstand sie den ersten Winter nicht, sicher lag es an mir. Ich hätte ihr mit einer Kerzenkette helfen müssen. Dass ich nicht früher darauf kam, liegt sicher daran, dass ich weiß bin, also hellhäutig, also Verursacher sämtlicher vorstellbaren Probleme.
So trat ich neulich aus der Haustür und mir lief eine schwarze Katze von links über den Weg. Halt, stopp, ganz andersrum: ich lief einer schwarzen Katze von rechts übern Weg. Was macht das mit dem Tier? Wie sehr habe ich es gedemütigt, entrechtet und geknechtet allein durch die anscheinende Größe meines Körpers, durch die diskriminierende Diskrepanz des Verhältnisses unserer Körper?
Ich werde hinfort auf allen vieren durch die Gossen schleichen, den Blick gesenkt und allzeit demutsbereit.

Samstag, November 24, 2012

ein eigen lied



ich summ mein lied und du verlinkst das
und einer sucht und findet was noch fehlt
und eine singt das und verlinkt was
und dann wird neu erzählt was
kann wird irgendwie passieren
die farben werden frisch gemischt
am tisch nimm deine karten wieder auf
als fälschung folgt das echte der kopie
oder so

Freitag, November 23, 2012

Im Zweifel blind







Wütend haut Bruder Jakob auf die Trommel:
So billig ist die Wahrheit sonst nirgends zu kriegen!
Mit Mut und eiserner Entschlossenheit tritt er für das Gute, Schöne, Wahre
jenen die Fresse ein, von welchen er zwar keine Ahnung,
zu denen er jedoch schon immer eine Meinung hat.

Laut haut er aufs Trömmelchen, lauter noch haut er und dass das nervt, das nervt ihn nicht.
Denn jeder Jakobiner weiß, er ist ein RE-VO-LU-TIONÄR!
Doch kommt er viel zu früh zu spät:
der Bär ist nackt, er hat vor Angst sein Fell an die Bedürftigen verteilt
und auf dem Jakobsweg gehört die Minderheit der Mehrheit an.

Marschbefehl (Remix)






Pack deinen Bleistift ein und dein Moleskine, Poet,
spring frisch in Stiefel aus Metaphern.
Auf gehts ins Wortfeld zum letzten Gericht.
Schon schreibt der Feind, verschone ihn nicht,
kartätsch ihn mit Kadenzen und Sentenzen.

Zieh deinen Lorbeerkranz tief in die Stirn, Poet,
wenn Versschrapnelle um die Ohren fliegen
und Kameraden aus dem Metrum fallen,
bleib stark. Und denk daran: Du schreibst mit allen
Zeilen Geschichte, nicht bloß Gedichte.

Montag, November 19, 2012

Vom Krankenbett






Eines kann ich gar nicht leiden:
wenn die Viren in mir weiden
und sich die Bakterien
ungehemmt vermehrien.

Da werd ich zum Jäger der Krankheitserreger
und stärk meinen Willen mit Pulver und Pillen.
Natur? Die find ich schön und gut,
solang sie mir nicht schaden tut.

Donnerstag, November 08, 2012

Luxusmädchen


Das Lärvchen, die Maske, der schöne Schein:
was bleibt davon für später?
Schon eilt herbei der authenzitätische Täter
und reißt die Fassade brutalstmöglich ein.

Die Frage der eigenen Eigentlichkeit,
die stellt man gerne den andern.
Man hat gerade zu viel Zeit,
so dass die Gedanken wandern.

So wandern sie hin, durch Ewigkeit
und schätzen sich ein als subtil
und fragen: Warum! Frag! Ich! So viel!
Geschichtlich gesehen ist der Mensch solches leid.


Mittwoch, November 07, 2012

Gestirnt


Ach, wie haben wir so gerne diese Sterne,
die so ferne sind von unserm Sinnen,
nicht ganz dannen, nicht ganz hinnen
und wir können sie bepacken,
sie beschriften und belacken,
können Sternenbilder schaffen,
sie begaffen wie die Affen,
sie beschreibend Stirne runzeln.
Es sind und es bleiben letztendlich nur Funzeln.

Aber schön sind sie irgendwie schon.

Zweizeilige Tiere 15


Salmonellen

Morgen bleibt der Ofen aus,
wir treffen uns im Krankenhaus.