Samstag, Oktober 02, 2010

Anonyme Destruktoren



Sehr geehrte Damen und Herren,
nachdem ich durch eine Verurteilung des Amtsgerichts Hasewinkel verpflichtet bin, mich einer Maßnahme zur Vermeidung Freiheitsbeschränkender Bewegungseinengungen zu unterziehen, möchte ich gerne auf Ihr Inserat im Bielefelder Bürgerboten Bezug nehmen.
Ich bin sicher, dass ich mich für Ihr Programm qualifizieren kann und empfehle mich wie folgt:
Geboren als Sohn des freiberuflichen Genies Eitel Eiberstädt und seiner Frau, Gesine Gümpel, geborene Lotjonn, erblickte ich das Licht der Welt in Gütersloh. Unsere Familie war normal sozialkompatibel, ein strenger, fordernder, stets abwesender Vater und eine liebende, überbehütende Mutter. Schon im Alter von vier Jahren wollte ich Mama morden und Papa ehelichen. Als das nicht ging, schrie ich den ganzen Block zusammen. Die Nachbarn wollten mich steinigen, trafen aber nur Mami an der Schläfe, woraufhin diese in ein bis heute andauerndes Koma versank, welches ihren Anschluss an lebenserhaltende Maschinen verlangt.
Papi verlor darob jeglichen Lebensmut und versenkte sich in die tiefste Flasche, welche er aufzufinden vermochte. Dadurch war ich in meiner Freizeitgestaltung völlig frei gestellt und konnte meinen Impulsen ungehindert folgen. Zunächst beschränkte ich mich auf das Sprengen von Briefkästen, ein schief in der Angel hängendes, mit fremden Namen beschriftetes Blech schien mir die Erfüllung. Später schoß ich mit Luftpistolen auf bewegliche Ziele, Fahrräder, Autos, Straßenbahnen. Im Alter von ca fünfzehn begann ich, mich größeren Aufgaben zu widmen: Telephonhäuschen, Stromkästen, Telegraphenmasten, nichts war vor mir sicher. Ich liebte es, die Maschinenwesen winselnd zu Boden sinken zu sehen, Störungen im Ablauf zu verursachen, Fassaden zu zerbrechen und das Innerste zum Äußersten zu machen.
Erste Jugendstrafen lehrten mich, Vorsicht walten zu lassen. Ich stieg um auf fernbediente Sprengsätze. Schleusen, Autobahnbrücken, Fußgängerüberquerungen. Einige der größten Staus verdankt das Teutoburger Land mir. Aber, wie es so geht, Stolz macht unvorsichtig, ich wurde geschnappt und hart verurteilt. Darauf machte ich eine Ausbildung zum Schrottwart durch, wobei mich diese Arbeit sehr befriedigte, zerquetschen, zerstampfen, den Saft austreten zu sehen aus alten, rostigen, wehrlosen Apparaturen, aber Ach: die EU-Ausführungsbestimmungen zur energieneutralen Entsorgung verlangen eine feinmotorische Zergliederung sämtlicher Bestandteile industriell gefertigter Erzeugnisse bis ins Atom. Auch hier wurden wir Grobmotoriker wieder diskriminiert, so dass ich eine Anstellung als Abbruchsgehilfe suchte und fand. Sehr zu meiner Befriedigung fand ich mich an den Schalthebeln eines Raupenfahrzeugs mit angegliederter Abrißbirne wieder. Nicht zu beschreiben das Geräusch, der Geruch einknickender Altbauten, wenn der Mörtel spritzt, die Backsteine platzen, Leitungen ein letztes Mal seufzen und der Boden rumpelt. Wir rissen so viel ab, wie nur eben ging, bis ein Erlass der EU uns stoppte: feinmotorische Zergliederung usw s.o.
Wieder auf mich selbst gestellt, begann ich mit der Entzündung von auf den Straßen abgestellter Personenkraftwagen. Relativ risikolos, effektiv und aufsehenerregend, war dies doch nicht der Apfel vom Ei. Ich konnte verfackeln, soviel ich wollte, alles wurde nur einem Haufen von Spinnern gutgeschrieben, der irgendwas "politisches" für sich reklamierte. Damit wollte ich nichts zu tun haben, meine Politik bin ich mir selbst genug. Also begann ich, die Sprengung eines der letzten Industriekomplexe Deutschlands vorzubereiten, der HKM-Stahlwerke in Duisburg-Hüttenheim. Ich wollte einen mit Semtex, TNT, Nitroglyzerin und Benjamin Blümchen-Fanpostkarten befüllten Zeppelin über das Firmengelände fernsteuern, dort herabsenken und zur Explosion bringen. Was für eine Vorstellung!
Leider war ich unvorsichtig bei der Beschaffung der B.B.-Karten, der Verfassungsschutz in diesem Land ist nicht ohne und schwer gewitzt.
Ich wurde gefasst und verurteilt und appeliere dessenthalben an ihre geschätzte Gnade: Bitte therapieren Sie mich, ich sähe mich ansonsten gezwungen, nachts aufzustehen und Maschinen zu töten. Mit einer Pumpgun zwischen die Scheinwerfer eines BMW zu halten, mit einem Bowiemesser das Zuführungsrohr eines Laubsaugers zu durchtrennen oder das Bremssystem eines Sechzehntonners: das muss ja nicht sein.
MfG,
Eilfried Eiberstädt-Gümpel

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