Donnerstag, Mai 22, 2008

Gefühlte Inflation 3



Letztes Jahr konnte ich mir noch ein Zweirad leisten.

Ob das die Krankenkasse zahlt?

modern



schleimbrandung undichter körper
ekel vor verführung dann nicht
schein der räkelnden wunden
gemälde aus weißenden farben
geländern entlehnt sich ein gleich
enden des statischen austauschs
versuchs später noch mehr wieder
holt wohl denn die eimer
ladungen zu treten

Gefühlte Inflation 2



Letztes Jahr konnte ich mir einen neuen Adventskranz leisten.

Gefühlte Inflation 1



Letztes Jahr konnte ich mir noch zwei Stangen Spargel leisten.

Unputzig



Ich akzeptiere den Dreck und den Staub,
räum nicht mehr auf und sauge nichts weg.
Alles, was anfällt, soll ruhig verwesen, Besen
verbrannt und das Staubtuch zerschnitten.
Gelitten habe ich lange genug unter dem Fluch,
dem Terror der Hygiene. Und jene, die meinen,
das kann man nicht machen, werd ich verjagen.
Sollen sie klagen, was bekümmert es mich,
wenn kein Licht mehr durch die Fenster bricht.

Denn nur wer aus unreinem Topfe gespeist,
erkennet am Ende: Schmutz reinigt den Geist.

weniger sich




jene unmerkliche bei
ein nächst mal best oft gleißen
unter träger boden
sah: el toro pasa, rippe bleckt vom
taubenmost
danach & sülze verrinnt

in klammern hermes stehtisch
sowie so oft himmel bestochen scharf
umbruch
end and rehen mist-
er wächst speziell
es

Tonfall



Oh, diese Stimmen, sie stürmen und dringen
gegen das Ohr, dort verstummen sie nicht.
Und diese Stimmen, sie wispern, sie singen,

sie flüstern, sie berichten von Dingen,
sie treiben, umkreisen, drängen sich dicht:
Oh, diese Stimmen, die stürmen und dringen

hinter die Stirn, wo sie kämpfen und ringen,
jagen und nagen, bis Widerstand bricht.
Und diese Stimmen, die wispern, sie singen,

nichts zwingt sie, wollen nicht leise verklingen,
sie fragen und tagen als stetes Gericht.
Oh, diese Stimmen, sie stürmen und dringen

von innen nach außen, wechseln und springen,
nie sind sie gleich, sie ändern die Sicht.
Und diese Stimmen, sie wispern, sie singen,

sie wollen zur tieferen Einsicht zwingen,
sie treiben hinauf aus dem Dunkel ans Licht.
Oh, diese Stimmen, die stürmen und dringen,
und diese Stimmen, sie wispern und singen.

Auf Kalauer



Meinungskugeln hadern durch die Nacht,
mancher sinkt verwundert schwer zu Boden.
Ist im Vorüber zur Strecke gelacht,
schweigend bedacht, zur Ansicht verbracht:
Einem lauert beständig mehr Arschloch in Petto.

Zieh dir die liebe Seele auf links, teile Gefühle
mit spitzem Seitenhieb entzwei. Sei lässig,
damit keiner sein Wütchen kühle und wühle
selber um den Brei. Den Herzschuss spüle
dir Alkohol frei. Belabernd ist es immer, das Ghetto.

Mittwoch, Mai 14, 2008

In letzter Minute



Klar war, das es kaum zu schaffen sein würde in der Kürze der uns zur Verfügung stehenden Zeit. Dieser Riesenberg an Mist, über Jahre angehäuft und bis zum sonstwo stinkend, da hatten sich schon andere abgemüht und den Zustand nur noch verschlimmert. Pläne waren verabschiedet worden, Sitzungen ohne Ende wurden abgehalten, die klügsten Köpfe unserer Zeit hatten sich daran versucht, doch alles bisher war zum Scheitern verurteilt gewesen. Und jetzt sollten wir das fertigbringen, wo dachten die eigentlich hin? Aber mit uns konnten sie es ja machen, wir waren denen doch egal. Immer auf unsere Knochen und die Verantwortlichen hatten sich schon lange abgesetzt, irgendwohin, wo es schön ist und die Gesetze nicht so umfassend wie bei uns. Mit den Schäfchen im Trockenen und wir stehen im Regen, so sieht es doch aus. Aber was soll das Lamentieren, da hilft nichts, Ärmel hoch und durch, sage ich immer. Erst einmal anfangen, der Rest ergibt sich von alleine. Die schönste Planung nützt nichts, wenn die Mittel fehlen oder die Zeit, manchmal ist drauf los die beste Lösung, man nimmt, was man hat um zu tun, was man muß.
Also warfen wir die Druckmaschinen an, volle Kraft voraus, und druckten, was das Zeug hielt. Etwas unhandlich waren die bunten Lappen schon, aber mit Wasser und Muskelkraft haben wir es doch noch rechtzeitig geschafft, kurz vor dem Deichbruch. Die Löcher im Staatssäckel sind gestopft, der Finanzkollaps abgewendet. Vorläufig, jedenfalls. Jetzt müssen wir uns nur noch was überlegen, um ein Heißlaufen der Notendruckmaschinen zu verhindern. Immer dieser Streß, aber wenn man einmal angefangen hat zu improvisieren, geht es so weiter.

Antrag



An das
Amt für Anträge
Postfach,
Berlin

Sehr geehrte Damen und Herren,

wie ich aus der Presse erfahren habe, suchen Sie noch nach Teilnehmern für ihr von der EU gefördertes Desozialisierungsprogramm. Ich möchte mich hiermit darauf bewerben.
Vielleicht spricht mein Alter gegen eine Aufnahme in ihre Maßnahme, aber lassen Sie sich versichert sein: auch in reiferen Jahren ist eine Wiederausgliederung aus dieser Gesellschaft möglich, persönliche Reife und Erfahrung vorausgesetzt.
Diese bringe ich in gehörigem Maße mit, ich habe Diplome erworben in "Bürgerliches Eskalationstraining", "Steuervermeidung unter erleichterten Bedingungen" und "Erfolgreich scheitern - wie lasse ich andere aus meinen Wunden bluten". Zudem bin ich beitragsfreies Mitglied bei den Anonymen Anabolikern und professioneller Schwarzseher, Träger des Securitate-Gürtels mit braunen Streifen und Professor der kleinen Beziehung. Ehrenhalber.
Seit Jahrzehnten schon lebe ich in enger Symbiose mit diesem, unserem Staat und möchte das auch beibehalten bis zur Frühverrentung. Ich habe bereits an den Förderprogrammen für grenzdebile Genbenachteiligte, Schuldlose Schuldner und aussichtsreiche Apostaten teilgenommen und würde gerne meine Kenntnisse und mein Wissen weitergeben, vertiefen und diskursiv diskutieren.
Daher bitte ich Sie, mir die nötigen Antragsformulare baldmöglichst zuzusenden. Ich habe schon alle Bescheinigungen kopiert und werde mich schleunigst bewerben, denn ich weiß, bei Ihnen bin ich in guten Händen.
Mit dem Ausdruck der hervorragendsten Hochachtung,
Ihr
Antonius Nabatäus von Hardstängl (Prof. Dr.)

Zyklisch



versprechen des glücks
gefühl zu gleiten
der klang der saiten
fülle im wechsel
spiel wandeln der zeiten
wende in freude
spende mir mai

Horoskop



Der Mond sieht aus, als ob er in der Mitte matschig wäre,
die Sterne scheinen auch nicht ganz gesund.
Selbst die Planeten leiden unter Überschwere,
der Sonne läuft schon lange nichts mehr rund.
Doch heute ist dein Tag, so jubiliere,
es wird dir alles glücken, wenn du es beginnst.
Dein Zeichen steht im Kasten großer Biere,
damit ist klar, dass du das letzte Spiel gewinnst.

Mathe




Zu jeder neuen Lösung von Problemen
stellt sich zumindest eine Frage im Quadrat.
In Kästchen sperren lauernd sich die Zahlen,
und fletschen Formeln, zum Angriff parat.

Sturmvögel



Beim Schein des Neuen brach ich die alten Zelte ab
und zu um die Ecke. Aus gehaltener Deckung gelangte ich
mit aufgehalstem Kopf, erschöpfte dicht am Aufbau,
an Lichtern, gerade ausgegangen gegen die Rechnung,
die Zeche eifrig nicht geschrieben im Feuer der Stille.
Blau tauten die Pausen auf die Nerven, ich ging
Gräben schützen mit nicht genau genug gezogenen Karten.
Sehr gelegen kam ich unter in den Umständen, blieb
getrieben ins Grau an den losen Ufern, ein Betrug.

Im Fort



04.07.2026
Ich schreibe diese Zeilen in der Hoffnung, dass sie eines Tages gefunden und gelesen werden, damit sich unser Schicksal nicht im Dunkel verliert und wir nicht gänzlich in Vergessenheit geraten.
Gestern Nacht gab es wieder einen Angriff, diesmal auf das Westtor und die schwache östliche Pforte, welche gerade erst notdürftig repariert worden war. Die gegnerischen Truppen schienen äußerst gut organisiert und sehr motiviert, so dass wir große Mühe hatten, die Stellung zu halten. Welche Verluste der Feind zu erleiden hatte, lässt sich nicht abschätzen, auf unserer Seite sind zwei Tote und drei schwer Verwundete zu beklagen, womit die Anzahl der wehrfähigen auf achtundsechzig sinkt. Die meisten davon sind allerdings nur bedingt einsatzfähig, übermüdet und ausgelaugt. Das Lazarett ist überfüllt, Ärzte und Krankenschwestern arbeiten im Akkord, die Vorräte an Medikamenten und Verbandszeug gehen zur Neige. Lebensmittel und Trinkwasser reichen, bei strenger Rationierung, noch für eine Woche. Wenn in dieser Zeit kein Transport durchkommt, sind wir verloren.
Um die Moral zu heben, erzählen die Leute sich Geschichten über einen baldigen Entsatz, in der Kapelle wird pausenlos gebetet, jedes gelegentliche, entfernte Motorengeräusch wird gedeutet als das eines heranschwebenden Hubschraubers, der uns aus dieser auswegslosen Situation herausholt. Oder wenigstens Verstärkung hereinbringt. Wir stehen in ständigem Kontakt zu den umliegenden Forts, überall die gleiche Notlage. Es scheint, als wären wir dem Gegner unterlegen, zahlen- wie kräftemäßig. Am Sonntag ging St Remigius verloren, es war wohl Verrat im Spiel. Ansonsten kann ich mir nicht vorstellen, wie eine derart starke Festung untergehen kann. Das Schicksal der Bewohner mag ich mir kaum vorstellen, aber man weiß darum: die weniger betuchten werden auf der Stelle massakriert, Beamte und Bessergestellte werden in die Rentensklaverei verschleppt. Sie müssen ihre Bezüge den Siegern zur Verfügung stellen und ihre Testamente zu deren Gunsten ändern und werden dann in Lagern knapp am Leben gehalten, unter den unwürdigsten Bedingungen.
08.07.2026
Gerade komme ich von einer Lagebesprechung, jetzt wird die Munition knapp. Wir werden das Gartenhaus abreißen und die Steine in die oberen Stockwerke schaffen, um sie als Wurfgeschosse zu verwenden. Schade, ich habe ruhige Stunden verbracht in dem wunderschön angelegten Garten mit seinen Hochbeeten voll duftender Kräuter und Blumen. Jetzt aber verleiden die vielen frischen Gräber den Aufenthalt.
Herr Merkurt und Frau Bodewitz aus der Abteilung für unheilbare Krebsfälle haben sich freiwillig bereit erklärt, beim nächsten Angriff einen Ausfall zu unternehmen. Wir werden ihre Elektromobile zu rollenden Bomben umbauen und sie wollen versuchen, bis in die Nähe der gegnerischen Führer zu gelangen, um dort sich und möglichst viele Feinde in die Luft zu sprengen. Bedauerlich, dass wir uns gezwungen sehen, zu solch unritterlichen Mitteln zu greifen. Wir werden ihnen einen Großteil unserer Morphiumvorräte verabreichen, damit sie nicht zu sehr leiden.
12.07.2026
Es ist ein wunderschöner Sommertag, gerade richtig zum Sterben. Die Außenwände sind zerstört, wir haben uns in der Kapelle verschanzt und erwarten das Ende. Die Kampfmoral ist dahin, viele haben ihre besten Kleidungsstücke angezogen und ihre Rentenbescheide gefälscht, um vielleicht doch noch einem sofortigen Tod zu entkommen. Nur einige wenige außer mir sind entschlossen, Widerstand bis zum letzten zu leisten. Wir haben unsere Krücken angespitzt und bilden eine geschlossene Reihe vor der Tür, die Rollstuhlfahrer vorne, dahinter die Rollatorabteilung. Selbst ein Bettlägriger hat sich gemeldet und bildet die Nachhut.
Ich muss jetzt aufhören zu schreiben, von draußen erkling der Kampfschrei "Her mit der Pension" aus Hunderten jugendlicher Kehlen. Gnade haben wir nicht zu erwarten.

Leinen los




Leck geschlagen treibt das Staatsschiff, wütend tost der Ozean,
wilde, dunkle Wolken brechen, mürbe knirscht der morsche Kahn.
Tief im Rumpf, in dritter Klasse, strömt verbilligt starker Rum
und der Käptn zählt die Westen: viel zu wenig, das ist dumm.

Alle Maate in die Wanten, setzt die Segel, volle Fahrt,
kommandieren die Beamten. Keiner wird verschont und spart
jetzt mit Wasser, Butter, Käse. Trocken esst das Knäckebrot.
Euer Los liegt uns in Händen, Finger weg vom Rettungsboot.

Am Steuerrad der Steuermann steht stramm wie eine Eiche,
er ist ans Ruder festgeklebt, es steuert eine Leiche.
So trudelt, kreiselt, sinkt das Schiff in seinem letzten Kampfe,
die Kesselräume sind verwaist, es mangelt hier am Dampfe.

Drum mitgesegelt, mit gesunken, tönen tausend Kehlen.
Die Offiziere schert das nicht, es wird nicht lange fehlen,
das nächste Staatsschiff. Groß und stolz, liegt es bereits im Hafen.
Bald legt es ab, beladen mit Millionen von uns Schafen.

Schahid



Niemals gehört zu dieser Welt,
dies Herz. Blüht nicht in dieser Welt.
Im Haus des Krieges sehnt der Bruder
sich nach dem Schatten. Dieser Welt,
von der ein schmaler Weg ihn führt,
kehrt er den Rücken. Dieser Welt
erklärt er Krieg. Das Haus des Friedens
setzt er in Flammen. Dieser Welt
schenkt er den Untergang. Verachtung
für die Blindheit dieser Welt.
Er findet in der nächsten Welt,
ein Grün, ein Wasser nicht von dieser Welt.

Horror vacui



Der Souverän sitzt zappend auf dem Sofa vor dem Spiegelbild von sich
benommen, das ihn von fern bedient. Er lenkt Figuren ab und um zu schauen,
schiebt er Kulissen vor sich her. Schicht um Schicht umschichtet mehr
Versprechen an das schwere Grauen. Füllt damit Stillstand
der Bewegung und um jeden Einzelblick von sich kämpft er ins Leere.
Er wär genau so Du gleich Sie bist Ich und wie sind wir dahin gekommen?

Dienstag, Mai 13, 2008

Lichter Schatten



Garben aus leeren Händen
bis wir überliefen und
unter wild wachsenden
Trieben kurze Wege schnitten,
bevor die dünne Schicht
aus Goldlack verblühte,
ins Kopflose ausgesagt.
Wir schlugen eine Lichtung
zurück ins bloße Nackt.
Bedeckt samte sich nichts
zu wuchernder Weide,
als wir zwischen uns traten.
ins Dickicht der Schulden.

Spaßoption



Wir spielen Halsumdrehen,
schlagen Deckel auf Töpfe,
den Kopf offen gelegt
im Tanz nach der Schicht.
Reiten große Ideen in den Mist,
mit dem wir Gelder pressen,
Handlung in Spielräumen,
aus dem Traum, wer verliert.

Wir wenden um die Achse, um die Erde
und Glück ist eine namenlose Zahl.

Bemüht



Ich liege zu Füßen dem Schutt,
aus allen Aschen gefallen,
permanentes Sonderangebot.

Zwischen Maschinen fabriziertes
Einzelstück in Massenproduktion,
lebe ich von Restkultur
im ständigen Räumungsverkauf.

Ratlos rüttle ich ein wenig
an Gittern im Getriebe,
Automat von Beruf seit Beginn.