Dienstag, April 29, 2008

Global denken, lokal handeln




Schön ist die Erntezeit, aber anstrengend. Gestern war ich in der Gerste, heute im Roggen und morgen, Sonne vorausgesetzt, wird der Raps geerntet. Er steht gut dieses Jahr, die Preise steigen und darum denke ich darüber nach, die Anbaufläche auszuweiten. Konsequente Produktion mit biologischen Methoden, Pflege der Pflanzen nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen und viel Handarbeit bringen ein hervorragendes Ergebnis. Mein Rapsöl braucht sich nicht zu verstecken.
Einziger Wermutstropfen ist die heute eingetroffene Absage aus Brüssel. Für Subventionen sei mein Betrieb zu klein, heißt es darin. Na, die werden sich noch wundern! Aber eigentlich ist ja sowieso alles, was subventioniert werden muss, überflüssig. Da behalte ich mein Geschäft lieber selber in der Hand, auch wenn die Doppelbelastung aus Landwirtschaft und Marketing hart ist.
Autarkie war schon immer mein Traum. Wasser liefert der Regen, wir leiten ihn in den zur Zisterne umgebauten Keller. Strom werden wir wieder haben, wenn ich das vom letzten Orkan lädierte Windrad repariert bekomme, aber da wir ohnehin mit den Hühnern aufstehen und früh zu Bett gehen, brauchen wir kaum noch künstliches Licht. Die Energie für die Ölmühle im Wohnzimmer kommt von zwei Sonnenkollektoren, die ich auf dem Dach angebracht habe. Wenn ich alle Nachbarn überreden kann, auch Raps anzubauen auf ihren Balkonen, rechne ich mit einer siebzigprozentigen Auslastung der Maschine.
Fleisch und Wolle kommen von den Hasen im Kinderzimmer, auch wenn es jedes Jahr großen Ärger mit den Kindern gibt vor der weihnachtlichen Schlachtung. Im Flur will wegen des fehlenden Lichts nichts anderes wachsen als Champignons, diese dafür aber so reichlich, dass ich schon überlege, einen Stand auf dem Wochenmarkt zu errichten. Da könnte ich auch gleich die Kräuter aus dem Schlafzimmer anbieten, heimische Produkte erzielen bei bewussten Käufern wieder gute Preise. Dass ich die Pflanzen mit den Wertstoffen aus der Biogasanlage im Bad dünge, muss keiner wissen.
Nächste Woche will ich die Hausverwaltung anschreiben wegen meiner Idee des senkrechten Gärtnerns. Die Wände unseres siebzehnstöckigen Hauses bieten reichlich Platz für Spaliere. Kiwis auf der Südseite, Hopfen auf den anderen. Man will auch mal ein Bier trinken, nach Feierabend, und außerdem isoliert der Bewuchs die Fassade.
So, jetzt muss ich rauf zu den Güzels in den zwölften, die wollen mir heute alles über Teeanbau und Schafzucht beibringen. Nette Leute.

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