Donnerstag, März 13, 2008

Auf der Suche



Vorsichtig taste ich mich an der rauen Wand entlang, die Fingerkuppen aufgerissen und taub von der herabrieselnden Feuchtigkeit. Der Boden ist rutschig, tückisch, loses Geröll erschwert das Gehen. Hoch oben schimmert schwaches Licht, gerade genug, eine Ahnung der Umgebung aufscheinen zu lassen. "Ich werde es finden", spreche ich halblaut, mein Mantra für die Dunkelheit, "diesmal werde ich es finden". Ich habe schon viele Höhlen durchsucht, seit ich den Plan gefunden habe, jenes brüchige Pergament mit der verblassten Schrift, den kaum zu entziffernden, schnörkeligen Buchstaben. Die Zeichnung war eindeutig, die Botschaft klar:
"Das Ich, das sich suchet, das Ich, das sich findet, in diesem Zeichen untrennbar sich bindet".
Leider war der Eingang nicht beschrieben. So ist es auch passiert, dass ich in diese Höhle hineingefallen bin, plötzlich gab der Waldboden nach und ich schlitterte einen Abhang hinab, verlor dabei meine Ausrüstung, die über einen Grat in bodenlose Tiefe fiel. Jetzt mühe ich mich weiter, zum Glück habe ich die Karte auswendig gelernt, sie leuchtet vor meinem inneren Auge. Noch zehn Schritte, dann kommt eine Kreuzung. Links geht es in eine Kammer, gefüllt mit Diamanten und dem Gold der Inkas, rechts zweigt ein Gang zur Grotte des immerwährenden Glücks, aber ich muss geradeaus, immer weiter geradeaus, sacht führt der Boden hinab, längst gibt es keinen Lichtschein mehr, bis auf ein leichtes Glimmen an den Wänden. Es wird stärker, phosphoresziert, grünlich-gelbliches Leuchten lässt den Weg erkennen, von Menschenhand polierter Fels. Das Gehen wird leichter, selbst die Luft schmeckt frischer, mein Mut kehrt zurück. Ich werde es finden, das Zeichen, und dann wird es für immer mir gehören.
Vorbei an Gängen, die zu unnennbaren Schätzen führen, getrieben, gezogen von einer Ahnung, einem Hoffen, einem Wissen und schließlich betrete ich sie, die letzte, die höchste, die einzige Höhle und, wie auf dem Plan verzeichnet, sehe ich es. Im Mittelpunkt, auf den Boden gemalt, das Übermannsgrosse X. Hier ist die Stelle, hier ist mein Platz. Ich lege mich hin, die Arme und Beine auf die Linien gepresst und endlich, nach all der Suche, den Mühen und Irrtümern, endlich weiß ich, wo ich bin, wer ich bin, habe meinen Platz gefunden in dieser Welt. Ein ungekanntes Glücksgefühl durchströmt mich - ich werde diesen Ort nie mehr verlassen.

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