Freitag, November 09, 2007

Leerer Hut



Er stand seit Stunden an der gleichen Stelle. Nicht einmal eine Zigarette konnte er sich drehen im Nieselregen, der vor Tagen begonnen hatte. Kalt war ihm, die Kälte kroch langsam nach innen und er wusste, dass er nicht mehr lange aushalten konnte. Seine Blase machte ihm Sorgen, doch noch hielt er durch. Weggehen, den Platz aufgeben, kam nicht in Frage, auch wenn er keinen besonders günstigen Standort hatte, zu nah an der Strasse und dem brausenden Durchgangsverkehr.
Die guten Stellen unter den Bäumen waren belegt, die Konkurrenz schlief nicht, manche kamen schon in der Nacht, um die besten Plätze zu besetzen. Gestern hatte er vor dem Rathaus gestanden, in den eiskalten Fallwinden des neugotischen Turms, voll Hoffnung auf fröhliche Hochzeitsgesellschaften. Menschen mit gehobener Laune waren oft spendabler, aber gestern lief der Tag nicht gut. Eigentlich wie all die Tage zuvor. "Warum mache ich das"?, fragte er sich oft, "Warum gebe ich nicht auf und werde vernünftig? Noch ist es nicht zu spät, das Ruder herumzureißen, den Kurs festzulegen auf die eingefahrenen Routen, der Masse zu folgen".
Aber er fühlte, dass ihm das nicht gegeben war, mochte er noch so wollen. Seine Bestimmung lag darin, zu grübeln und zu träumen. Selbst wenn es ihm nichts einbrachte, würde er am nächsten Tag wieder auf dem Marktplatz oder in der Einkaufsstraße stehen, um unter den kritischen Blicken der Passanten lauthals seine Gedichte vorzutragen.

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